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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.09.1870
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- Erscheinungsdatum
- 05.09.1870
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- Deutsch
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J-L 203, 5. September. 2823 Nichtamtlicher Theil. den oben angeführten Zeugnissen Hupel's, Merkel's und anderer Zeit genossen wissen wir, wie traurig es um die Mitte des vorigen Jahr hunderts mit der Bildung der meisten Livländer bestellt war, wie groß die Schwierigkeiten waren, welche sich auch nur der Kenntniß, geschweige denn der Anschaffung neuerer Werke von Bedeutung ent gegensetzten. Wir, die wir uns nur an einen der Buchhändler Riga's, Mitau's, Dorpat's oder Reval's zu wenden brauchen, um jedes neue Werk nach Ablauf im schlimmsten Fall einiger Wochen zu erhalten, klagen noch häufig darüber, daß die Entfernung von den großen buchhändlerischen Mittelpunkten den Bildungseifcr lähme, daß manches Unternehmen aufgegeben werde, weil die Beschaffung der nöthigen Materialien zu zeitraubend sei, sich die Verhältnisse oft so rasch veränderten, daß der langsame Gang buchhändlerischer Verbindungen nicht mit ihnen Schritt halte. Wie muß es um die Lernlust aber erst bestellt gewesen sein, so lange jede äußere Anre gung fehlte, so lange der aufstrebende Jüngling sich sagen mußte: es lohnt das Studium in einem Lande nicht, wo man ein Krösus sein und ein Methusalem werden muß, um sich die nöthigen Hilfs mittel anzuschaffen und das Eintreffen des Bestellten zu erleben! Für reichlich vier Fünftel aller Menschen sind alle übrigen Dinge schwerer zu entbehren, als Bücher. Wenn die Leichtigkeit der Be schaffung schon dafür maßgebend ist, ob und in welchem Maße wir materielle Güter comsumiren, deren Entbehrung Jedem einOpfer ist, so war und ist die Beschaffungsfrage auf dem geistigen Gebiete eigentlich die Frage, auf welche alles ankam und ankommt. Bei den Einen mußte das Bedürfniß nach geistiger Nahrung erst ge weckt, der Reiz derselben erhalten werden, bei den Andern galt es Ermuthigung und Unterstützung im Werden begriffener Triebe. Vollständiger kann der Beweis dafür, daß mit Hartknoch's Er scheinen in Riga eine neue Aera für das geistige Leben der drei Ostseeprovinzen begann, nicht erbracht werden, als durch die Con- statirung der einfachen Thatsache, daß zehn Jahre nach der Etabli- rung der Hartknoch'schen Handlung in dem bildungslosen Alt-Livland eine Periode schriftstellerischer Production erwachte, die an Umfang und Inhalt alles übertrifft, was früher oder später in diesem Lande binnen eines gleich kurzen Zeitraums auf literärischem Gebiet geleistet worden ist.. .. Es würde die Geduld unserer Leser ermüden, wollten wir all' die auf unsere Provinzen und das russische Reich bezüglichen Bücher und Zeitschriften namhaft machen, die unter der Aegide unseres Hartknoch erschienen. Und das Wort „Aegide" ist hier im weite sten und umfassendsten Sinne zu verstehen. Nicht nur, daß er die Schriftsteller mit Rath und That unterstützte, ihnen Bücher lieh, sic mit Geld und Geldeswerth ausstattete, in sehr zahlreichen Fällen war er es, der sie auf die Bedürfnisse des Publicums aufmerksam machte, ihnen Mitarbeiter schaffte, sie anregte und belehrte. Neben her entwickelte er als Sortimentshändler eine unermüdliche Tätig keit. Bei der damaligen Beschaffenheit des Buchhandels gingen beide Geschäftszweige Hand in Hand und konnte ihm nur ein aus gedehnter Detailverkauf fremder und eigener Werke die Mittel bieten, deren er bedurfte, um seine großen Unternehmungen in Gang zu bringen. Daß es ihm sehr häufig an Capital mangelte, daß sein großartiger Sinn und seine Wohlthätigkeit ihn nicht selten in drin gende Geldverlegenheiten brachten, haben wir bereits gehört; in mehr wie einem Briefe hebt Hartknoch hervor, daß ihn nur die Freundschaft von Männern, wie Zuckerbecker und den Berens, über dem Wasser gehalten, daß er in Geld- und Geschäftssorgen „ersof fen" sei. Nicht selten geschieht, daß der muthige und unermüdliche Mann so gebrochen ist, daß Herder, den er zu schützen gewohnt war, ihn trösten und beruhigen und an bessere, frohere Zeiten erinnern mußte. — Einer bahnbrechenden Kraft, wie es die unsres Hartknoch war, konnte nicht erspart bleiben, daß Mißgunst, Unverstand und Vorurtheil ihr Möglichstes thaten, um ihrHemmnisse und Schwierig keiten zu bereiten. Aus den erwähnten Reymann'schen Notizen und einem Artikel, den Hupel in den Nord. Miscellaneen zur Verthei- digung seines Freundes und Gönners drucken ließ, erfahren wir end lich, daß Hartknoch nicht selten vorgeworfen wurde, seine Thätigkeit und Betriebsamkeit beruhe auf unersättlicher Geld- und Erwerbgier, oder daß die Thoren, die noch vor kurzem ohne alle Verbindung mit dem Büchermarkt waren und für die mittelmäßigsten Sachen unver- hältnißmäßig hohe Preise gezahlt hatten, über die Langsamkeit der Hartknoch'schen Expedition und die enormen Summen klagten, die ihnen abgepreßt würden, und doch blieben der Eifer und der Wohl- thätigkeitssinn des seltenen Mannes sich unverändert gleich. Der Verlagskatalog wurde immer reicher und vielseitiger, der Rigaer Laden und dessen Commanditen dehnten sich immer mehr aus, das Geschäft wandte sich neuen, bisher gänzlich unbekannten Branchen zu: Karten und Bilderwerken und Musikalien. In den siebziger Jah ren ließ Hartknoch zwei neue Karten von Livland, Estland, Oesel und Narwa und der neuen statthalterschaftlichen Kreiseintheilung erscheinen; nach seinem Tode erschien in der von ihm begründeten Handlung das große Mellin'sche Kartenwerk, über welches er schon bei Lebzeiten mit dem Zeichner vielfach verhandelt hatte. ' Aus der Zahl der bei ihm erschienenen Bilder nennen wir die Portraits von Kant, Klinger, Seume, Hupel; von Musikalien eine Sonate Philipp Emanuel Bach's (1786), zwei Concerte und sechs Sonaten von Johann Christoph Bach, eine Sonate von Johann Eckard, eine Operette von I. F. Reichard und die Compositionsversuche verschie dener strebsamer Inländer, wie Müthel, Jänisch, Veistner u. a.m. Eine so aufreibende und die verschiedensten Gebiete umfassende Thätigkeit konnte, auch wo die abgehärtetsten Kräfte Vorlagen, nur zerstörend wirken. Hartknoch aber, dessen Jugend unter Armuth und Entbehrung vergangen war, der als Student von schlecht bezahlten Privatstunden gelebt, sich mit dreiundzwanzig Jahren ohne Capital etablirt hatte, der unaufhörlich weite und anstrengende Geschäfts reisen machen mußte, hatte bereits eine zerrüttete Gesundheit mit gebracht, als er sich in Riga niederließ. Er litt an einem unheil baren Lungenübel und wurde mit den Jahren überdies unverbesser licher Hypochonder. Der Eifer iür seinen Beruf und das Glück der Häuslichkeit, die sich nach der Eingehung seiner zweiten Ehe überaus glücklich gestaltet hatte, hielten ihn noch eine Weile aufrecht, aber nachdem er das vierzigste Lebensjahr zurückgelcgt hatte, machte die Lungenschwindsucht merkliche, wenn auch nur allmähliche Fort schritte. Nach den uns vorliegenden Briefen zu urtheilen, wurden diese körperlichen Leiden über einer fieberhaft gesteigerten Thätig keit von dem, der sie zu tragen hatte, vergessen. Gerade weil er auf kein langes Leben rechnen durfte, wollte Hartknoch die Tage, die ihm noch gegönnt waren, nach Kräften ausbeuten, — wirken, so lange seine Lebenssonne schien. Außerdem ist mehr wie wahrschein lich, daß er in derThatsehr viel erwerben mußte, umso zuleben, wie es ihm Bedürfniß geworden. Nicht daß irgend ein Zeugniß auf luxuriöse Gewohnheiten oder außerhalb der bürgerlichen Sphäre liegende Ansprüche des bescheidenen Mannes schließen ließe, Hart knoch's Passion scheint aber gewesen zu sein, im Großen zu wirth- schaften, wo es sich um ideale Zwecke und die Unterstützung streb samer Menschen handelte. Wo es die Herausgabe und den Ankauf von Werken galt, mit denen Ehre eingelegt und Nutzen gestiftet werden konnte, wo arme Studenten und strebsame Schriftsteller un terstützt werden sollten, konnte der vornehm angelegte Mann nicht markten und nicht rechnen. Er gab mit vollen Händen, so lange er hatte, und wenn er nicht hatte — borgte er. Sein Gehilfe Rey- mann ist in dem Lobe von Hartknoch's Wohlthätigkeitssinn gerade zu unermüdlich. „Nichts übertraf seine Art wohlzuthun. Blen dend und prunkvoll war sie nicht, denn selten erfuhr es der Hilfs bedürftige selbst, wem er seine Rettung zu danken hatte. Wie aus den Wolken kam dieHand, die ihn seinem Elend entriß, zog sich dann. 404*
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