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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.08.1870
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- 29.08.1870
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- Deutsch
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Auslande eingewanderten Hauslehrer eigentlich die einzigen Leute in Livland gewesen, bei denen von Wissenschaft, Literatur und Kunst die Rede gewesen. „Aber auch bei diesen", setzt Merkel hinzu, „nur bis sie sich eingelebt hatten, das heißt in den nicht literarischen In teressen untergegangen waren. Das mußte um so schneller gehen, als es fast gar keinen literarischen Verkehr zwischen Livland und Deutschland, also noch weniger niit anderen Ländern gab." Mer- kel's eigener Vater, von dem wir wissen, daß er Gelehrter und Literaturfreund war und daß er eine Bibliothek französischer, deut scher und italienischer älterer Klassiker aus Hamburg mitgebracht hatte, besaß— wiewirnach den Andeutungen des Sohnes annehmen müssen — noch am Ausgang der siebenziger Jahre nicht eine einzige Schrift Lessing's. Ein unternehmender Kopf, der um dieselbe Zeit eine Leihbibliothek der Schriften berühmter Franzosen, Engländer und Italiener in Riga angelegt hatte, machte so schlechte Geschäfte, daß er schließlich in die Düna sprang. — Neben diesen indirecten liegen uns auch directe Zeugnisse über die Beschaffenheit des damaligen Bildungszustandes vor. HripK, der sich über die Schattenseiten des livländischen Lebenszuschnitts immer nur sehr schonend und behutsam ausspricht, gibt an zwei verschiedenen Stellen seiner Miscellaneen deutlich zu verstehen, wie traurig es um das geistige Leben der vor-Hartknochischen Zeit in unserem Lande bestellt gewesen. „Seit langer Zeit war in Livland gar kein, in Estland nur ein sehr un bedeutender Buchladen gewesen. Buchdrucker und Buchbinder hielten die Bücher zum Verkauf, nach welchen am meisten gefragt wurde. Hin und wieder verschrieb ein Gelehrter für sich oder seine Freunde etwas aus Deutschland. Lectüre war keine Lieblingsbeschäftigung der Liv- und Estländer, und wer einen Hang dazu fühlte, mußte ihn wegen der damit verknüpften Schwierigkeiten sehr einschränken; und wer ein unterhaltendes Buch besaß, der zeigte es nur den ver trautesten Freunden, weil er sonst in Gefahr stand, von vielen darum angesprochen zu werden und es endlich niemals wieder zu bekommen. Noch schlimmer sah es mit der Schriftstellerei aus. Ein Mann von Geist, welcher etwas wollte drucken lassen, fand Weder Verleger noch die zur Ausarbeitung erforderlichen Hilfsmittel, weil cs an Bibliotheken fehlte und die erwähnten Bücherhöckcr keine großen Werke führten." Ein günstiges Geschick wollte, daß sich in dem Zeitpunkt, in Welchem Hartknoch Bürger unseres Landes wurde, bereits ein frische res Leben zu regen begonnen hatte und daß er in Mitau wie in Riga Männer vorfand, welche seine Interessen theilten und seine Bestrebungen, so weit an ihnen war, unterstützten. In der kurlän dischen Hauptstadt bildete das Lehrer-Collegium des O^mnamnm noaäsilliouw den Mittelpunkt des geistigen Lebens, in Riga fand er den Berens'schen Kreis, in welchem später Herder eine zweite Heimath fand. Hamann's längerer Aufenthalt in Liv - und Kurland hatte diese Männer, sowie die in den beiden Nachbarstädten leben den Gebrüder Lindner (den Reetor an der Rigaer Domschule, Jo hann Gotthelf, und den Mitauer Arzt Ehregott Friedrich) mit den strebsamen Königsberger Gelehrtenkreisen zuerst in Berührung ge bracht , und gerade weil sich die den modernen Humanitätsbestrebun gen zngewandten Männer hier wie dort noch als Prediger in der Wüste fühlten, war ihr Zusammenhang ein innigerer geworden, als man bei der Entfernung der ostpreußischen Hauptstadt vom Rigaer Meerbusen und bei dem mangelhaften Zustande derkommunicatious- mittel hätte denken sollen. Man wußte nicht nur von einander, sondern theilte sich mit heiligem Eifer alle neueren literarischen Er scheinungen von Bedeutung mit, unterstützte die gegenseitigen Be strebungen und ihre hervorragendsten Repräsentanten nach Kräften. Von den Brüdern Berens sagt Gervinus in seiner Literaturgeschichte ausdrücklich, ihr wohlthätiger und anregender Einfluß habe sich im gesammten baltischen Norden fühlbar gemacht, und man braucht nur die Briefschaften Herder's und Hamann's aus jener Zeit aufzuschla gen, um den Eindruck zu gewinnen, daß.räumliche Entfernungen vielleicht niemals mit so frischem Geistesfluge übersprungen worden seien, als in diesen Hartknoch-Hamann-Herder'schen Tagen. Riga war aber nicht der einzige livländische Ort, an welchem geistiges Leben sich beim Beginn der sechziger Jahre zu regen be gonnen hatte. In Dorpat lebte seit dem Jahre 17üO der ehema lige Hauslehrer des Hauptmanns von Vietinghof, jetzige Ordnungs- gerichtsnotär und Rathsadvocat Konrad Friedrich Gadebusch aus Rügen, ein Mann von beispiellosem Fleiß und unermüdlichem lite- rärischen Eifer. Gadebusch, der seine Studien in Greifswald ge macht hatte und schon im I. 1719 geboren war, gehörte einer älte ren Schule an, als die Männer unseres Königsberg-Riga-Mitauer Kreises. Waren jene mit besonderem Eifer der neuen philosophisch humanitären Richtung ergeben, so stak er noch in der juristisch historischen Schule alten Zuschnitts; Studium und Sammlung von Urkunden, Stammbäumen, Rechtsbüchern und Quellen war seine Lieblingsbeschäftigung, seine Richtung eine streng conservative und historische... — Unweit Dorpat lebte seit 1760 ein anderer Gelehr ter, Hessen Studien und Sammlungen gleichfalls der Auferstehung durch einen Buchhändler und Verleger harrten, August Wilhelm Hupcl, geboren 1739 zu Butterstädt in Weimar, Pastor zu Ecks und seit 1763 zu Oberpahlen, der Sammler, Herausgeber und Be arbeiter von 28 Bänden nordischer Miscellaneen und 18 Bänden neuer nordischer Miscellaneen, Verfasser zweier topographischer Werke über Liv-und Estland, die an Gründlichkeit und Zuverlässig keit noch heute nicht übertroffen sind, einer estnischen Grammatik und zahlreicher, um nicht zu sagen zahlloser anderer Schriften von zum Theil unvergänglichem Werth, ein Typus des werkthätigen, et was flachen, aber wohlmeinenden Vulgärrationalismus seiner Zeit, ein Dilettant in den historischen Wissenschaften, dem wir mehr ver danken, als der Mehrzahl unserer zünftigen Geschichtsforscher. — Neben Hupcl ist endlich noch Heinrich Johann von Jannau, der fleißige Pastor zu Lais, zu nennen, gleichfalls Forscher auf histori schem Gebiet, zugleich muthiger Vorkämpfer der Bauernfreiheit und thätiger Journalist. Durch diese Männer und die jüngeren Kräfte, welche sie um sich geschaart hatten, war der Boden, den Hartknoch im I. 1763 betrat, bereits gelockert und für die Bildungssaaten, in deren Aus streuung er seinen Lebensberuf sah, empfänglich gemacht. Mit glück lichem Geschick verstand der junge Buchhändler sich zunächst mit den Bildungsrepräsentanten seines neuen Vaterlandes in Verbindung zu setzen, ihre Achtung und Freundschaft zu erwerben. Kaum ein Jahr nach seiner Niederlassung in Mitau und Riga hatte er bereits so viel Einfluß gewonnen, daß man ihn mit zu Rathe zog, als im Sommer 1764 das Amt eines Kollaborators an der Domschule vacant wurde. Neben Hamann war er es vorzüglich, der die Be rufung Herder's zu diesem Amte bei dem Rector Lindner durchsetzte, und keiner der Rigaer Freunde des großen Dichters und Denkers hat sich um dessen Wohlbefinden und Zufriedenheit in Riga so viele Verdienste erworben, als eben unser Hartknoch. — Als er in der Kanter'schen Buchhandlung als Gehilfe arbeitete, war Herder nach Königsberg gekommen, um daselbst Theologie zu studiren, und die beiden strebsamen jungen Männer hatten sich rasch und innig be freundet. Herder hatte damals daran gedacht, selbst Buchhändler zu werden, war aber durch den älteren Freund, der des jungen Theologen reizbare, zugleich blöde und wiederum stolze Natur rich tig erkannte und beurtheilte, davon überzeugt worden, daß er nicht zum Geschäftsmann tauge. Jede freie Stunde hatten sie getheilt, da ihr Bekanntenkreis derselbe war, und noch in späteren Jahren erinnerte Herder sich mit Wehmuth der Zeiten, „da der thätige Freund, mit dem großen Bücherpacket unter dem Arm, den Schloß berg hinauflief und Abends zu ihm in sein bescheidenes Stübchen kam, um zu berichten, wie es mit dem Handel gegangen sei." — Wie.
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