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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.05.1870
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 09.05.1870
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- Deutsch
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-R 104, 9. Mai. Nichtamtlicher Theil. 1547 durch solche Beiträge ein Culturbild festgehalten, welches sonst unserm Zeitalter bald entschwinden würde. Ebenso gern möchte ich aber auch den zahlreichen Freunden, die im Leben wie am Sarge noch meinen Großvater umstanden, all den deutschen Männern, deren Vertrauen und Achtung ihn auszcichneten, und die bei den Jubel festen seines Lebensabends, und in den Meßtagen zu Leipzig immer gleich liebevoll ihn begrüßten — ihnen allen noch einmal, ehe der Lärm und Umschwung des Lebens seine *Züge verflüchtigen, den „Vater Mittler" wahrheitstreu nahe bringen. Ernst Siegfried Mittler entstammte einer Familie, die ihre Ver gangenheit bis zu Bonaventura Mittler, einem Apotheker zu Lindau am Bodensee verfolgen kann. Dessen Sohn Daniel Mittler, ebenda am 25. Juli 1559 geboren, ist in jüngern Jahren nach Halle ge wandert und seitdem dieFamilie dort seßhaft geblieben. Die meisten Mitglieder widmeten sich der Goldschmiedckunst. Das Mittler'sche Prägezeichen, ein Einhorn, war, wie mein Großvater gern erzählte, gesucht bei den Käufern als Gewähr guter Metallmischung. Ernst Siegfried's Vater, Johann Georg Mittler, hatte ebenfalls in lan ger Wanderschaft als Goldschmied sich ausgebildet und in seiner Vaterstadt niedergelassen. Als er jedoch „während dem siebenjäh rigen Kriege sich bei den öfteren feindlichenJnvasionen bei Rathhause sehr verdient zu machen bemühet hatte", wurde er 1762 vom Magi strat zum Bornmcister im Thal, bei den Halloren-Salzwerken, ge wählt und von dem Geheimen Rath von Dreihaupt als dem Salz grafen „unter dem Hackeborn mit dem Bornmeister-Amte und Ge reute bestehen". Das monatliche Cassengehalt dafür betrug 12Thlr. 12 Gr. In dieser Stelle und in kleineren städtischen Nebenämtern, hauptsächlich in dem eines Servis-Controleurs — namentlich aber durch seinen streng rechtlichen, gottesfürchtigen Wandel erwarb sich der Mann ein großes Ansehen in Halle. Seine Kinder erzählten, wie er, wenn er zur heiligen Communion ging, von seinem Hause vor dem Untern Stcinthor aus, den dreieckigen Hut und den hohen Stock in der Hand haltend, durch die Straßen geschritten war. — Die Stadt, eine der blühendsten Universitäten, bot ein eigenthümliches Leben. Wenn beim Semester-Anfang die tägliche Post neue „Füchse" brachte, lagen die Burschen in den Farben ihrer Landsmannschaft im Fenster und ermunterten die Neulinge, ihrer Compagnie beizu treten. Der Unfug der Studenten wurde durch die erimirte Stellung, welche die Halloren-Genossenschaft mitten in der Stadt genoß, sehr begünstigt. Dieselben übten innerhalb ihrer Salzwerke im Thal eigene Gerichtsbarkeit. Das Interesse der Studenten führte daher zu der innigsten Fraternität mit dieser Wendencolonie. Abends sammelten sich die Studenten wohl vor der Stadtwache am rothen Thurm, wehten die Hieber auf dem Pflaster, höhnten und riefen: „Schaarwache heraus!" Die Mannschaft trat endlich zornig vor, warf mit langen, eisenbcschlagencn Stöcken, die, auf dem Steinpflaster aufspringend, die fliehenden Studenten zum Fall brachten, und ver folgte die Flüchtigen. Eilig aber liefen diese bei der Marienkirche vorbei die Stiege hinab, die zum Thal führte; oben standen macht los die Wächter und empfingen neuen Hohn von den geborgenen Studenten. — Auch die nahe sächsische Grenze verursachte manche Auf regung. Oft fielen Desertionen aus den geworbenen Mannschaften des Regiments vor. Ein Kanonenschuß verkündigte dann die Entdeckung; die Thore wurden geschlossen. In Reideburg, einem Dorfe an der Leipziger Straße, war die Grenze, und zwar lief dieselbe mitten durchs Wirthshaus: die eine Seite des Schenktisches war noch preußisch, die andere sächsisch; saß derDeserteur hinter dem Tisch, so konnten die Häscher ihm nichts mehr anhaben. — So nah Leipzig und Halle einander liegen, nöthigte doch jeder Brief zu einem be- fondern Wechselgeschäst. Die Post nahm nur sächsische Pfennige zur Frankatur nach Leipzig an; ein Krämerladen in der Ecke des Nathhauses machte durch den Umtausch des preußischen Kupfergeldes gegen sächsisches gute Agio-Geschäfte. Der älteste Bruder, Johann Georg, wie der Vater genannt, wurde am 10. April 1792 bei dem Buchhändler Herrn Härtel in die Lehre gegeben. — Die Lehrzeit wurde auf sechs Jahre festgestcllt, wofür aber kein Lehrgeld, sondern nur ein Bette, für 24 Thtr., zu bezahlen war. Nach verflossenem sechsten Jahr bekam er die Stelle eines „zweiten Handlungsdieners" bei Himburg in Berlin: 8 Thlr. Reisegeld von Leipzig aus, 70 Thlr. Gehalt, guten Mittagstisch — der Sohn erzählte: „Suppe und drei Gerichte, meist kostbare Spei sen" — nebst Frühstück und bequemes Logis; und für AbendNsch monatlich 3 Thlr. 12 Gr.; das Weihnachtsgeschenk „nach dem Ver halten". — Der Sohn war von dem Comfort, von der Aufwartung durch einen Livreebedienten bei Tische sehr überrascht, aber er „fand die Arbeit dort zu wenig". Auf den Rath dieses Bruders Wurde der dritte Sohn Ernst Siegfried, der das lutherische Gymna sium in Halle besucht hatte, für die Buchdruckerkunst bestimmt, und daher in die Offizin von Trampe in Halle in Lehre gegeben. Der Vater zahlte für 4 Lehrjahre (1. Juni 1799 — 1. Juni 1803), für 1 Bett und für den Erlaß des 5. Lehrjahres in Summa 40 Thlr. Mit ferneren 4 Thlrn. zu jeder Oster- und Michaelismesse wurden die„Jungenjahre"abgekauft,d.h- der Lehrling brauchte nicht die Stube zu kehren, zu Heizen und den Gesellen aufzuwarten. Nach Ab lauf der Lehrzeit wurde er „los und zum Gesellen gesprochen"; am 25. Septbr. 1803 „hat derselbe postuliret, welches 40 Thlr. gekostet und den 1. Octbr. ist derselbe nach Leipzig bei Herrn Magister Som mer in Condition gegangen" — so verzeichnet der Vater in das alte Familien-Stammbuch — der Sohn fährt fort: „nothdürftig bekleidet, mit 4 Thlrn. in der Tasche. Ohne jede Unterstützung von Hause, nur von meinem Verdienste lebend, mußte ich mich sehr cin- schränken, bei einem verheirathetcn Buchdruckergcsellen als Schlaf bursche auf dem Boden in einem Lattenverschlage mit einem Collegen zusammen wohnen sauf dem Brühl, der Reichsstraße gegenüber). Nur durch ein kleines Dachfenster erhielt berRaumLicht, und wegen Feuersgefahr durften wir nur mit einer Laterne unsere Ruhestätte aufsuchen, mußten auch ohne Feuerung den harten Winter aushaltc», wobei oft am Morgen die Bettdecke vor dem Munde gefroren war. So war auch das Mittagessen in einem Speischause karg, und das Abendbrot» bestand in einem langen Butterbrot», welches wir in dem Zimmer unseres Wirthes und seiner Frau verzehren durften, deren Quartier auch schon unter dem Dach des Hauses sich befand. Das waren schwere Tage gegen die im väterlichen Hause. Und doch danke ich Gott" — fährt mein Großvater fort — „daß er mich durch diese Prüfung geführt, denn ich bin dadurch an Entbehrungen gewöhnt worden, und jede bessere Stellung in meinem Leben habe ich dankbar als eine Gnade von Gott erkannt und, stets zufrieden und genügsam mit dem, was er mir verlieh, nur meinen frohen Sinn erhalten." In der That möchte auch ich die Bescheidenheit, welche meinen Großvater auszcichneten, auf die Entbehrungen der Jugendjahre zumeist zurückführcn. Nicht allein, daß er vonHcrzcns- grund zeitlebens selbstlos war und mit Eifer fremde Noth zu steuern und Andern wohlzuthuu trachtete — gewiß immer der Sorgen seiner eignen Jugend eingedenk und des Dankes für die Besserung seiner Lage sich stets bewußt — sondern auch im äußern Leben hat er eine große Anspruchslosigkeit und Einfachheit seiner Bedürfnisse beibe halten. Alles, was er im Lause der Zeit sich zur Behaglichkeit des Lebens anschaffte, hat stets für ihn den Reiz einer besondern Ver günstigung, die er sich gestattet hatte, behalten, und er hat dieAengst- lichkcit niemals überwunden, daß er darin etwa zu viel thun könnte. Und wie ihm Wohl war im alten, sorgsam gepflegten Hausrath und in alten, stillen Sitten, so hat er auch mit mehr Recht und Glück als viele Andere bis ins späteste Alter aufs entschiedenste jede Verwcich- 221*
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