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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.08.1861
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- Erscheinungsdatum
- 26.08.1861
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- Deutsch
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M 106, 26. August. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 1781 nur möglichen Wecke und Bücherschränke bis an das Dach hinan aufgethürmt. Und allerdings befanden sie sich häufig im Besitze von Leuten, die von ihrem Inhalt am wenigsten einen selbstän digen Gebrauch zu machen verstanden, wie denn Lucian's Zu schrift an einen Ignoranten, der sich Bücher über Bücher kaufte, eben dies Thema behandelt. Allein der Fall, daß ein unwissender Eigner seine Bücherschätze jedem Andern verschloß, gehörte doch sicher zu den Seltenheiten, und auch die bloße Liebhaberei oder Modesucht wurde, bewußt oder unbewußt, zu einer Vermittlerin des literarischen Verkehrs. In den übrigen Städten Italiens und in den Provinzen waren natürlich die Bibliotheken minder zahlreich als in Rom, dem Herde aller geistigen Bestrebungen. Doch haben uns die Ausgrabungen in Hcrculanum jenes Cabinct eines Privatmanns erschlossen, das nicht weniger als 1700 Büchcrrollcn enthielt; und wenn Plutarch in Charonca, das damals ein elendes Nest war, seine historischen und philosophisch- moralischen Schriften mit ihren Unmassen von Eitatcn zu Stande bringe» konnte, so sieht man leicht ein, wie, trotz seiner Klage über Büchcrmangel, ihm eine wahrhaft großartige Bibliothek zur Hand gewesen sein muß. Wer aber nicht vermögend genug war, um sich durch Kauf in den Besitz einer den geistigen Anforderungen der Zeit entspre chenden Büchcrsammlung zu setzen, oder wer nicht Bekanntschaf ten genug hatte, um die Privatschatze Anderer seinen Wünschen oder Bedürfnissen gemäß ausbeuten zu können, — der fand Aus hilfe, Ersatz und Befriedigung theils in den Lesccabinettcn der Buchhändler, der Badehäuscr und Thermen, theils in den gro ßen und zahlreichen öffentlichen Bibliotheken, die von Je dermann benutzt werden durften. Nach der Angabe des Publius Victor gab cs deren zu seiner Zeit in Rom allein nicht weniger als 29. Ist cs nun eine Thatsachc, daß die griechische Bibliothek in Alexandrien 700,000 Bücher enthielt, um wie viel eher dürfen wir uns von den römischen Staatsbibliotheken einen hohen Be griff machen, da den Römern nach Unterwerfung des gebildeten Erdkreises die Sammlung literarischer Werke von überallher so ungemein erleichtert ward. Die erste öffentliche Bibliothek wurde in Rom von Asinius Pollio im Vorhofc des Freiheitstempels ge gründet, ein Plan, womit schon Caesar umging; zwei neue, die Dctavischc und die Palatinische, stiftete Augustus; eine vierte Tiberius in seinem Palaste, eine fünfte Vcspasian im Friedcns- tempcl, eine sechste Domitian auf dem Capitol; zu den berühm testen gehörte die von Trajan begründete Ulpischc Bibliothek. Gcllius, Plinius der ältere und Andere wissen uns viel von die sen Bibliotheken Roms zu erzählen; die Historiker, die Philoso phen, die Dichter, die Literaten jeder Gattung haben sie, wie ihre Werke bezeugen, fleißig benutzt. Wie sich von Rom aus die geistige Bewegung und der lite rarische Verkehr über ganz Italien und alle Provinzen verzweigte, so auch allmählich das Bibliothckwcsen. In den Lusthäusern der vornehmen Römer erstanden überall schon frühzeitig auf ocm Lan de und in den Landstädten Privatsammlungcn, wie die des Cicero zu Antium, des Julius Martialis, des Silius Jtalicus und des jüngeren Plinius. Und endlich erstanden auch überall, selbst in kleinen Städten, öffentliche Bibliotheken, wie z. B. in Tibur und Comum. Daß aus den öffentlichen Bibliotheken die Bücher zu häuslichem Gebrauche entliehen werden konnten, unterliegt ebensowenig dem Zweifel, wie daß in den Räumen derselben Zu sammenkünfte und Unterhaltungen gestattet waren. Zu dem Allen kommt nun noch ein höchst wichtiger Umstand, welcher unsere Begriffe von der Bedeutung des damaligen litera rischen Verkehrs um ein Beträchtliches steigern muß. Es ist nämlich wohl zu beachten, daß die Muße der Leser nicht minder eine Grundbedingung für die Vertiefung und Verbreitung litera rischer Einflüsse ist, wie die Betriebsamkeit der Schriftsteller und Buchhändler. Denn man nimmt doch in dem Maße mehr von einer Sache in sich auf, als man sich ihr hingibt, und im Allge meinen wird man in dem Maße sich ihr mehr hingeben, als man Zeit dazu hat. Die gebildeten Römer hatten nun aber unbedenk lich bei weitem mehr Zeit zum Lesen, zum Aufnchmen und Ver dauen fremder Gedanken , als etwa unsere heutigen Beamten und Gewcrbtreibcndcn. Denn sie hatten meist nicht, wie wir, dem täglichen Brodcrwerb nachzugehcn; ihre Acmtcr waren Ehrenäm ter, und ihre Geschäfte sielen den Sclavcn anheim. Auch hatten sic mindestens ebensoviel Gelegenheit, um sich Bücher zu leihen, und größtcntheils mehr Geld, um sich deren zu kaufen. In den Spannungen der Republik war freilich die Muße bei Hohen und Geringen, bei Alt und Jung vorzugsweise durch die unmittelbare politische Thätigkcit, die aber das beste Bildungsmittel und die ehrenvollste Beschäftigung der Völker ist, verschlungen worden; allein seitdem die Monarchie mit so großer Zuvorkommenheit die Mühe des Regicrcns dem Volke abgenommen, war für das Pu blicum und selbst für die Mehrzahl der höchsten Beamten nichts in größerem Ucberflusse vorhanden, als die politische Muße. Und diese konnte, wer dem Schlaraffenleben abhold war, nicht besser anwenden, als abwechselnd mitcigncm Lesen und Schreiben, oder indem er, bei körperlicher Erschöpfung zu Sclavcndicnsten seine Zuflucht nehmend, gemächlich ruhend dem Vorleser zuhörte oder dem. Schreiber dictirte. Wer kennt nicht die schöne Schilderung von der geschäftigen Muße des älteren Plinius aus der Feder sei nes jugendlichen. Neffen! Und doch war Jener, für den, Tag aus Tag ein, Lcctüre und Schriftstcllerei die Wechsclthätigkcitcn des Lebens bildeten, nicht ein bloßer Privatmann, sondern einer der höchsten Beamten, Admiral der Misenischcn Flotte. Wer in einer größer» Stadt und zumal in Nom sich aushielt, begnügte sich nicht mit jenem schlichten Wechsel häuslicher Muße. Einen Thcil des Vormittags brachte man gewöhnlich auf dem Forum zu, denn hier konnte man die neuesten Tagesereignisse erfahren, hier las man die neuesten Edictc, die öffentlichen und die Privatbc- kanntmachungen; denn jeder Morgen versah die Säulen und Mau- crflächcn mit einer Fluth von frischen Anschlägen, Theaterzetteln, Ankündigungen von Gladiatorcnkämpfcn, Thicrgcfcchten und an dern Festlichkeiten; mit Anzeigen über verlorene Sachen, mit Programmen über nächstens zu haltende Vorlesungen u. dgl. mehr. Hatte man dergestalt die Neugier nach dcmThatsächlichen befriedigt und die kleinen und großen Ereignisse des Tages genü gend besprochen oder bekrittelt, dann ging man in die benachbar ten Magazine und Lcfccabinettc der Buchhändler, um hier durch Lectürc und Unterhaltung mit den jüngsten Erscheinungen der Literatur, mit den geistigen Strebungen der Zeit sich bekannt zu machen oder mit Gleichgesinnten, mit den Wortführern und An hängern der eigenen Partei zu verkehren. Bei einer Vergleichung des Alrerthums mit der Neuzeit ist es also nicht zu übersehen, daß die literarische Muße des heutigen Lesers sich zu der des römischen höchstens wie 1 zu 3 verhält. Das heißt: wenn heute der Beamte oder der Gewcrbtrcibcnde täg lich etwa 1 bis 2 Stunden darauf verwenden kann, um sich im Niveau der kämpfenden Richtungen, der neuesten geistigen Be wegungen zu erhalten, so standen dem römischen Leser der Kai- seczcit zu dem gleichen Zwecke täglich mindestens 3 bis 6 Stunden zu Gebot. Er vermochte also gleichsam, da selbst die drückendste cschwulc der politischen Atmosphäre nicht jedenAthemzug des Le bens ersticken konnte, dreimal soviel von außenher in sich aufzu- nchmen und wiederum nach außcnhin zu verbreiten. Wie sehr dies zur Beförderung des Ab - und Umsatzes der Ideen beitragen
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