Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Grsrhältszweige. Herausgegeben von den Deputaten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Redakteur: Otto Aug. Schulz. Commissionnair: A. Frohberger. ./V" 22. Freitag, den 30. Mai 1834. Buchhandel. Andeutungen über den Buchhandel und das literarische Treiben in Italien. (Nach der in Mailand erscheinenden Zeitschrift: Echo.) (Beschluß.) Der oben bezeichnete Mangel eines buchhändlerischen Mittelpunctes, die durch mancherlei Censuren und Zölle erschwerte Versendung hemmt den Absatz so sehr, daß auch die Honorare, auf welche der Schriftsteller rechnen darf, beinahe auf nichts rcducirt sind. Wirklich stehen sogar die Deutschen, obwohl nichts weniger als in über mäßigem Honorarluxus schwelgend*), gegen die italieni schen Autoren etwa in dem Verhältnisse, wir wollen nicht sagen, wie die englischen, aber doch wie die Franzosen gegen die Deutschen. Ein Italiener, der von der Feder leben wollte, müßte ein Mann von mehr als patriar chalischer Sitteneinfalt, von einer wahrhaft rührenden Bescheidenheit der Wünsche, einem starken, gegen Hun ger und Kalte abgehärteten Körper scyn. Äußer den Zeitungsschreibern, nämlich den politischen, könnte höch stens ein Uebersetzer aus neueren Sprachen in Mailand oder Florenz u. s. w., wo noch am meisten buchhändle rischer Verkehr ist, zeitweise leben, denn oft würde er sich doch wohl nach einem andern Erwerb umsehen müssen. Schriftstellern, ist das einzige Handwerk, welches hier we nigstens keinen goldenen Boden hat. Auf den ersten ') Dürste wohl nur auf frühere Jahre zu beziehen seyn, denn auch in Deutschland sind im Verhälmiß der Sachen in der letztem Zeit keincswcgeS niedrige Honorare gezahlt worden. Am», d. Red. 1- Jahrgang. Blick möchte es freilich scheinen, als sey dadurch wenig verloren; von den Lohnschreibern geht das Neue, das Große nicht aus; vielmehr gewinnt jede falsche Richtung durch diese Kinder des Äugenblicks und der Mode an Festigkeit und Verbreitung; dagegen dürfen aber auch die zuweilen sehr bedeutenden Talente nicht vergessen wer den, die oft durch jugendlichen Leichtsinn, oft ganz un schuldiger Weise in dem Kasiensystem der Gesellschaft keinen Platz finden, oder überhaupt nicht hinein passen. Wer die Literargeschichte nur etwas kennt, dem müssen dergleichen zu Dutzenden einfallen, und zugleich wieviel die Wissenschaft ihnen zu danken hat. In Italien ist so ein Mann für sich und Andere verloren. Wo 40 Franken für den Bogen das höchste, ein kaum erhörtes Honorar sind , da ist es klar, daß der thatigste und fruchtbarste Geist nicht so viel vor sich bringen kann, um nach den Frohnstunden für die Existenz noch Zeit und Kraft zu einem bedeutenden Werke zu erübrigen. Wer aber auch nicht von der Feder leben will, sollte doch so viel dadurch erwerbm können, um den nöthigen Materialien - Apparat für sein Studium herbei zu schaf fen, wie ihn die Bibliotheken, wenigstens was englische und deutsche Literatur anbelangt, schwerlich in einiger Vollständigkeit gewähren. Giebt es doch eine ganze Reihe von Wissenschaften, welche, wie die Sachen jetzt stehen, Keiner in ihrem wahren Standpunkte übersehen, und also wahrhaft weiter bringen kann, dem die deutschen Bestre bungen darin fremd bleiben. Jedes wirklich geniale Weck wird zum Schwungbrete für den Nachfolger. Welch ein trauriger Gedanke: in seinen vier Wänden mühsam fortar beiten, ohne zu wissen, was draußen vorgeht! das schon Gethane vielleicht noch einmal thun; Philosophien, ohne von der deutschen Philosophie mehr zu wissen als einige Zeitungsnotizen über Kant, und wenn es hoch kommt, die Existenz eines gewissen Fichte, der auch schon vor 20 Jahren gestorben ist! oder seine theologischen Ideen dort anknüpfen, wo sie vor zwei hundert Jahren stehen ge 22