Umschlag zu Nr. 249. Leipzig. Montag den 28. Oktober 1S31. 98. Jahrgang. Oie „Deutsche Zeitung" schreibt über das neue Buch von A Werner Hansen Verratene Heimat Da steht ein Mensch an einen Pfahl gebunden, und der rote Henker wartet hinter ihm. Dieser Schutzumschlag zu dem neuen Roman von Werner Jansen (Werner Jansen, Verratene Heimat, Roman. Verlag Georg Westermann, Draunschweig. Ln Ganzleinen 4.80 RM) zeigt einen kleinen Ausschnitt aus dem großartigen Gemälde dichterischer und vaterländischer Kraft, das uns seit Laufens Nibelungenroman und Grimms Volk ohne Raum begegnet ist. Laufen schildert — ja, was schildert er eigentlich? Schildern heißt doch: auf ein Schild malen. Hier aber ist nichts gemalt, trotz aller glühenden Farben, hier stehen keine toten Schil- dereien „aus alter Zeit" im Licht der Gegenwart — kein Wort von Kul turhistorie, kein Kommentar von Quellen und Quellchen. Dieser Dichter hat den ganzen Trödelkram der üblichen Requisiten nicht nötig, weil er den Leser gleich beim ersten Sah mitten in die Zeit des großen Karl und seines Widersachers Widukind versetzt. Freilich, etwas muß auch trotz diesem genialen Zauber der Leser mit bringen, nämlich wenigstens ein paar Tropfen des Blutes, das vor tausend Lahren in Deutschland mächtig war. La, es muß einer schon deutsch geboren sein, um diesen gewaltigen Volksseelenroman in seiner ganzen Größe würdigen zu können. Das Thema ist denkbar einfach: Karl erobert, christianisiert und knebelt Sachsen — Widukind stemmt sich dagegen,- weniger gegen Eroberung und Christentum, als gegen die seelische Freiheitsberaubung, die seelische Ent wurzelung des Volkes. Aber die eigene Heimat verrät ihn, die Sachsen verraten Sachsen. Lene berühmten Viertausendfünfhundert, die Karl bei Verden hinrichten ließ, sind ihm von Sachsen, „Frankophilen", zu eben diesem Zweck ausgeliefert worden. Wahrlich, tausend Lahre sind vor Gott wie ein Tag, und uns Kin dern der Zeit tut es not, unsere eigene Geschichte einmal mit Gottes Augen zu betrachten, um zu merken, daß wir gestern wie heute im Fluß des Geschehens treiben und keineswegs unter Neuigkeiten leiden. So viel und nicht mehr zu diesem Werk als Spiegel und Deutung unserer eigenen Lämmerlingszeit. Wichtiger als der Vergleich der Lahrhunderte ist das Feuer der Begei- sterung, das Lausen in unseren lahmen Herzen anzufachen weiß. Lieber diesem Buche leben wir wieder, endlich wieder! Mit diesen „Glanz gestalten freudiger Lugendtage", mit diesen Roland, Turpin, Oliver und Ganelo dem Bösen erleben wir Abgematteten und Nüchternen wieder einmal unsere innerste, von Notverordnungen und anderen hochamtlichen papieren verschlossene Welt und spüren den Tropfen Blutes, der — „dabei war". Oie Helden der Fabelwelt, das Rolandslied selber, stehen im Sturmgeschehen dieses Romans, und in sagenhaften Herzen pocht irdisches, pocht unser Blut. Die Vision Karls im Schlußkapitel ist ein unvergeß liches Meisterwerk und wiegt allein die ganze „Produktion" der jüngeren Nobelpreisträgerei-A.-G. auf mir war, ich läge noch einmal mit zer schossenem Schenkel auf dem Totenfeld von Soissons und erlebte Schlacht und Grausen zum andern Mal mit unendlich verfeinerten Sinnen und von ganz anderer Warte. Ln allen seinen Büchern zeigte sich Lansen als einer der spannendsten Erzähler der Zeit — hier aber hat er sich selber überboten. Es ist nicht die stürmende Handlung allein, die solches zuwege bringt, nicht die wunder volle, bis ins kleinste Wort gepflegte mustergültige deutsche Sprache — es ist das schlagende Mannesherz hinter den Menschen und Dingen, das mit zwingt, mitreißt, das sich alles Guten in unserer Brust bemächtigt und in prachtvollem Flug zu allen Höhen führt. Mit einem Wort: dies Buch, eines der erschütterndsten Werke neuerer deutscher Dichtung, bringt Freude. Weiß Gott, wir haben sie nötig! Or. H. L.