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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.11.1856
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 17.11.1856
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18561117
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»17 142, 17. November. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 2165 Zeiträume der Werthgegenstände berauben wollte, welche sie erzeugt hoben? Do sagt man, es geschähe in Betracht des allgemeinen In teresses, um Aufklärung zu verbreiten, daß man dem Autor das Eigenthum an seinem Werke entziehe und dasselbe dem Publicum überlasse. Allein ein solches Interesse der Gesellschaft ist nicht vor handen ; zugegeben oder, es sei vorhanden, warum gestattet man dann dem Publicum nicht auch sich aller der Bücher zu bemächtigen, welche sich bei den Buchhändlern vorsinden? Dos wäre ja ein noch wohl feileres Mittel für dos Publicum, Kenntnisse zu erwerben! Warum gestattet man dies nicht? Etwa weil dos keineErmulhigung für die Buchhändler wäre, neue Ausgaben zu veröffentlichen? Nun, glaubt man denn, daß es eine Ermuthignng für die Autoren ist, literarische Werke zu schaffen, wenn man sie des Eigenthums an ihren Erzeug nissen beraubt? Sollte man nicht vielmehr die geistige Arbeit be günstigen, deren Erzeugnisse der Gesellschaft nützlich und wohlkhätig sind, welche dieselbe aufklären und bilden, indem sie das Bereich der Ideen erweitern? — Die Staatsökonomie also, vom Gesichts punkte der Nützlichkeit aus, wie dos Naturrecht, vom Gesichtspunkte der Gerechtigkeit, stützen gleichmäßig den Grundsatz der Unverletzlich keit des literarischen Eigenthums. Dieser Grundsatz, welchen man heutzutage unter Sophis men begraben möchte, ist bereits in der früheren französischen Ge setzgebung anerkannt und heilig geholten worden. Ein Erlaß der Krone hat denselben zu Gunsten der Erben La Fontaine's (1761) in Anwendung gebracht; ein Erlaß des Staatsrathes vom Jahre 1777 bestätigt die Autoren im Genüsse ihrer Werke für alle Zeiten, im Falle sie dieses Recht nicht einem Dritten abtreten, und der Staatsanwalt Seguier hat das literarische Eigenrhum „das unbe streitbarste von allen Arten des Eigenlhums" genannt; kurz alle großen Geister des achtzehnten Jahrhunderts haben ihre Stimme zur Vertheidigung dieses Grundsatzes erhoben. Selbst die gegenwärtige Gesetzgebung Frankreichs, obschon sie diesen Grundsatz verkannt und das Eigenthumsrecht der Autoren auf einen kurzen Zeitraum beschränkt hat, bewahrt doch noch eine Spur von der Dauer dieses Rechts, und zwar zu Gunsten nicht der größten Werke des menschlichen Geistes, sonder» eines der geringsten Producke des menschlichen Geistes, welches fast auf der Grenze der Industrie steht, nämlich zu Gunsten der Dessins für Fabriken. So wird also heutzutage ein Mensch, welcher es versteht, auf eine ge wisse, dem Auge gefällige Art Linien zusammenzustellen, die geeig net sind, auf Seide, Wolle oder Baumwolle repcoducirt zu werden, für sich und seine Erben den dauernden Genuß seines Werkes er langen können; während derjenige, welcher es verstanden hat, in einer großen Eomposition seinen Mitmenschen die Züge des Ideals darzustellen und ihre Seelen mit dem Hauche der Begeisterung zu beleben, nur während einer gewissen Anzahl von Jahren im Genüsse der Früchte seines Werkes bleiben kann! Welch' augenfällige, schrei ende Ungerechtigkeit ! Warum wird das Recht der Eigenthumsdauer für ein so untergeordnetes Werk aus dem Bereiche der Künste an erkannt? Weil dieses Recht eine Wahrheit ist, und weil die Wahr heit stets das Dunkel durchbricht und an irgend einer Stelle sich offenbart. Seit Jahrhunderten schon hat dieser Grundsatz der Dauer des literarischen Eigenkhumscechts gekceisct und durch einzelne Erschütte rungen sich kundgegeben; das künstliche Gerüst der Gesetzgebung, unter welchem man seine Strömungen aufhalten und ersticken wollte, kracht heute von allen Seiten; cs stürzt zusammen, und auf seinen Trümmern wird sich der Grundsatz des literarischen Eigenthums er heben, unerschütterlich wie die Wahrheit selbst. Dieser Grundsatz wurzelt nicht nur in einer Vernunftwahrheit, sondern auch in einer Gefühlswahrhcir. Darf sich die Gesellschaft unoankbar erweisen gegen jene Männer von Geist, jene großen Denker, jene großen Künstler, welche dieselbe mit allen Schätzen der Intelligenz über schüttet haben? Darf sie ihre Rechte verstümmeln? Wir vertreten hier die Rechte des Genies, nicht die mittelmäßigen Autoren, deren Werke bald der Vergessenheit anheimfallen: diese haben kein In teresse an der Dauer ihrer Rechte. Allein jene Männer, deren Name in der Zukunft fortlebcn soll, deren Werke der Verehrung der Nach welt gewidmet sind, haben ein Interesse daran, den ungeschmälerten und dauernden Genuß ihrer Rechte zu beanspruchen. Beweist etwa die Gesellschaft ihre Erkenntlichkeit dadurch, daß sic dieselben des un verletzlichen Rechtes auf das Eigenthum an ihren Werken beraubt und ihre Erben dem Elende preisgibt? Die Gesetzgebung der Gegenwart, welche di? Dauer des litera rischen Eigenthumsrechts auf eine gewisse Anzahl von Jahren be schränkt, verfällt in eine unmoralische Consequenz: sie begünstigt die seichten, gehaltlosen Werke der Literatur auf Kosten der großen, für die Nachwelt geschriebenen Werke. In der jetzigen Literatur ar beitet man allerdings nicht zugleich für seine Zeitgenossen und die Nachwelt, für die Gegenwart und die Zukunft; das sind ephemere Werke, welche aus den Leidenschaften des Augenblicks entspringen, anfangs großen Glanz um sich verbreiten und viel Geräusch ma chen, um bald wieder in das Nichts zurückzufallen Die Dauer des Genusses, welchen die Gesetzgebung der Gegenwart dem Autor zugesteht, gestattet demselben über ein Werk dieser Gattung alle Rechte auszuüben, die er beanspruchen kann; denn nach Verlauf einiger Jahre, selbst noch bei seinen Lebzeiten, ist sein Werk verschwunden; es hat sich verwischt, und der Autor hat den ganzen Nutzen gezogen, den es bereiten konnte. Die großen Werke dagegen, auf welchen sich die Stimmen der Nachwelt verei nigen sollen, entspringen nur aus einer langwierigen Arbeit und Er folg wird ihnen nur langsam zu Theil; oft wird ihr Werth bei Leb zeiten des Autors verkannt, und nur erst in Folge einer langen Prüfung geschieht es, daß der Geschmack des Publikums ihre Wahl trifft unter den Erzeugnissen jeglicher Art, welche das Feld der Lite ratur und schönen Künste überschwemmen, und wenn endlich der Nachruhm seine unsterblichen Strahlen auf dieselben wirft, so sind wohl schon mehrere Geschlechter aufeinander gefolgt; das Recht zeit weiligen Eigenthums ist erloschen, und das Meisterwerk, bei dessen Schöpfung der Autor vielleicht am Hungerluche nagte, ist den Er ben entrückt, zu einerZeil, wo cs für dieselben eine ausgiebige Quelle des Reichthums werden sollte. Ein flüchtiges Werk, das, in einem Tage geboren, auch nur einen Tag zu leben bestimmt ist, und wel ches die Wogen der Vergessenheit bald mit sich fortgeschwemmt ha ben, wird von dem Autor vortheilhaft ausgekauft; er genießt desselben in ungeschmälerter Weise während des ganzen Zeitraumes, den cs überdauern kann; während ein der Unsterblichkeit gewidmetes Werk, ein monmnenlum sere psrenmus, welches der Autor durch eine unab lässige Arbeit, ja oft sogar aus Kosten seines Lebens geschaffen hat, und das der Menschheit zum Ruhme gereicht, dem Autor nicht einmal den Trost vergönnt, dasselbe seinen Erben zu hinterlassen und mit ihm die Frucht seiner Arbeit, welche er nicht selbst einernten konnte. Es liegt also in der Gesetzgebung der Gegenwart factisch eine Un gleichheit und eine Ungerechtigkeit vor, eine Ungerechtigkeit nament lich, weil man die Wahrheit des Eigcnthumprincips verletzt hat. (Fortsetzung in Nr. 145.)
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