L für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Herausgegeben von den Deputirten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börsenvereins. ^-199. Freitags, den 15. November 1839. Literarisches aus Paris. Seitdem die schöne Literatur ein Gewerbe geworden ist, beschrankt sich dieselbe beinahe gänzlich auf den Roman und das Schauspiel. Beide Gattungen speculirten auf den Ungeschmack und die Unsitte der Leser; beide verrechnten sich. Der Roman findet keine Verleger mehr; und wenn es sich etwas anders mit dem Schauspiele verhalt, so liegt der Grund davon in dem Umstande, daß Productionen die ser Art mit einigem Gewinne selbst für einen nur vorüber gehenden Gebrauch der Bühnen verlegt werden können. Ich habe Ihnen bereits früher berichtet, wie der Roman, um sein Leben zu fristen, sich in das Feuilleton geflüchtet hat. Wenn ich Ihnen heute sage, daß auch dieser Markt demselben bald verschlossen werden wird, so befürchte ich keineswegs in meiner Vorhersehung durch den Erfolg wider legt zu werden. Der französische Buchhandel rechtfertigt meine Aussage. Es freut mich ungemein, bei dieser Ge-! legenheit bemerken zu können, daß meine Urtheile über den Charakter der ernsthaften Literatur der Franzosen auf dem selben Wege gerechtfertigt werden. Vernehmen Sie gefäl ligst, wie. Die Literatur-Industriellen haben sich unlängst als eine anonpme Gesellschaft: Locielo eie« Aon» clo lettre», constituirt. Hauptzweck dieser Vereinigung ist: dem Nachdrucke der Literaturpcoducte mit Erfolg zu begeg nen. Ein Journal von Rouen, das einige der von den Pariser Journalen publicirtcn Artikel reproducict hatte, erfuhr vor Kurzem die ganze Strenge der Gesellschaft. Um der Sache recht viel Widerhall zu geben, verfocht der Präsident der Gesellschaft vor Gericht die Rechte der betheiligten Mit glieder. In seiner Anklage äußerte der Präsident — es ist Hr. Balzac — der ganze Pariser Buchhandel zähle nur zwei Häuser, die sich nicht im Fallitzustande befänden. Er fügte hinzu, das eine dieser Häuser sei sogar bereits in Li quidation begriffen. Es ist unnöthig, zu erwähnen, daß Hc. Balzac und die Gesellschaft den Grund dieser betrü benden Erscheinung im Nachdrucke der Litcratucwerke fin den. Gegen diese Statistik des Romantikers erheben die Pariser Buchhändler mit vieler Würde ihre Stimme in den Journalen. Sie thun den Gens de Lettres, so wie über haupt jedermanniglich kund und zu wissen, daß von den 400 Buchhändlern der Hauptstadt nur einige zwanzig der Krisis, die seit einigen Jahren im Buchhandel herrscht, un terlagen. Von einigen dieser Falliten, fahren die Buch händler fort, wäre cs leicht nachzuweisen, daß die Ursache derselben dem regelmäßigen Buchhandel fremd seien; es gelte dieses vorzüglich von einigen übeiberechneten Spekula tionen auf Meisterwerke, die sich überglücklich schätzen müß ten, den Nachdruck als Ursache ihres Falles angeben zu können. Sie schließen ihre Reklamation mit den beach- tungswerthen Worten: „Wir sind zahlreich und hinläng lich gekannt von jenem aufgeklärten Theile des Publikums, der uns dadurch gegen den Präsidenten der Gesellschaft der Gens de Lettres rächt, daß er uns in der Veröffentlichung von Werken unterstützt, wovon Hm. Balzac wahrscheinlich keine Kunde zu Ohren gekommen ist. Die Philosophie, die Geschichte, die Rcchtskunde, die Medicin, die Mathe matik, die Naturwissenschaften, Künste und Gewerbe zäh len noch immer nachdenkende Leser. Der Roman hat fallit gemacht, und die Schuld davon ist vielleicht mit grö ßeren Rechte in den Schriftstellern, als im Nachdrucke zu suchen." Da speculire Einer auf die Schlechtigkeit und den Unverstand der Leser! (L- A. Z.) 6r Jahrgang. 184