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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.06.1914
- Strukturtyp
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- 1914-06-30
- Erscheinungsdatum
- 30.06.1914
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 148, 30. Juni 1914. Einem jungen, strebsamen Mann, der als Lehrling eintritt, bietet sich schon bei den ersten ihm übertragenen Arbeiten, vorausgesetzt, daß er sie nicht gedankenlos ausführt, Gelegen heit, den Untergrund zur Sortimentskenntnis zu legen. Ob er in ein grotzes Geschäft oder in eine kleine Firma eintritt, ist ziemlich belanglos, zu den ersten Arbeiten gehört zweifel los das Ordnen oder Ablegen der Fakturen. Ich setze dabei voraus, daß Ordnung in dem Geschäft ist und sich nicht die Fakturen wochenlang auftürmen, sondern möglichst sofort nach Eingang der Ballen zur Einreihung überwiesen werden. Der Novize kann, ohne die Arbeit unnötig zu verzetteln, bei der alphabetischen Ordnung den Fakturen einen Blick schenken; sehr oft wiederkehrende Verleger-Firmen werden ihm dabei auffallen, da merke er sich diese Firmen nebst Ort und Land. Dann sind es wieder die Namen der Komponisten, die immer wiederkehren, und hierbei ganz besonders einzelne Werke, die in größeren Posten eintrefsen oder sich häufig wiederholen. Da steht man denn nach, welches Opus aufgedruckt ist, die Zahl merkt man sich so nebenbei, und bald bleibt sie sitzen. Eine Bitte an den Vormann, ihm diese so oft eingehende Piece zu zeigen, wird wohl auch den beschäftigtsten Lehrmeister nicht verdrießen, im Gegenteil, er wird den Wissensdurstigen gern befriedigen. Eine weitere Arbeit ist das Einreihen der etngetrofsenen Waren in das Lager. Wenn hier der Lehrling, neben der Sorgfalt, die er auf die Hauptarbeit zu verwenden hat, auch die Vorräte näher betrachtet, so findet er darin alle die Namen, die er beim Ordnen der Fakturen kennen gelernt hat, greifbar wieder. Viele der Noten haben Bildertitel, die sich sehr leicht dem Gedächtnis einprägen, er entdeckt auch da die Opuszahl, die er sich schon einmal gemerkt hat. Handelt es sich dabei um Lieder, so überfliegt er rasch den Text, beachtet auch den Namen des Dichters, versucht, wenn er genügend musikalisch ist, die Melodie zu ermitteln, nimmt diese oder jene Piece mit nach Hause, um sie näher kennen zu lernen. Das alles wird ihm ein vernünftiger Lehrmeister nicht verbieten, denn auch ihm kommen ja die erworbenen Kenntnisse seines Zöglings zugute. Als noch das Leih institut blühte, war eine besonders wichtige Arbeit des Lehr lings, die ramponierten Notenhefte durch Kleister und Papier streifen wieder verwendbar zu machen. Auch das war eine Fundgrube für den, der etwas lernen wollte, da die kuran- testen Sachen die meisten Flicken trugen und bald wieder mit neuen Schäden zurückkamen. Heute ist das Verleihen durch die billigen Ausgaben zurückgedrängt; wo es noch gepflegt wird, ist die Klinik für die Verletzten in der Packkammer oder beim Buchbinder. Ich habe bereits vorher be merkt, für wie wichtig ich es halte, daß ein Musikalien händler musikalisch ist, und zwar nicht nur als Naturalist, der alles ohne Notenkenntnisse nachpfeifen kann. Ausnahms weise mag ja auch so einer, der mit gutem Gedächtnis aus- gerüstet ist, äußerlich als firmer Sortimenter gelten, niemals aber wird es ihm gelingen, mit Erfolg der Kundschaft sach gemäßen Rat zu erteilen, trotzdem er aus der Praxis heraus Wohl in großen Zügen über das Schaffen eines großen Meisters informiert sein kann. Ein Musiksortimenter braucht kein Virtuos zu sein, mutz jedoch wenigstens ein Instrument leidlich beherrschen, wenn er mitreden will; günstiger als das Klavier ist ein Streich oder Blasinstrument. Bei letzteren ist er gezwungen, den Ton selbst zu bilden, den er, um das zu können, vorher im Ohr haben mutz; beim Klavier steht der Ton fest, er hat sich da rum nicht zu kümmern, ein Druck aus die Taste, und seine Aufgabe ist damit gelöst. Als Ausübender eines Blas- oder Streichinstruments ist er in musikalischen Kreisen stets will kommener als die zahlreichen, oft recht wenig wirklich musi kalischen Klavierspieler. Bei dem gemeinschaftlichen Musi zieren, auf das er angewiesen ist, lernt er vieles kennen, was ihm in seinem händlerischen Berufe von nachhaltigem Vorteil ist. Ein mit einer leidlichen Stimme begabter junger Mann, der kein Caruso zu sein braucht, aber befähigt ist, im ge mischten Chor oder Männerchor mttzuwirken, findet überall 1054 offene Türen und damit nicht nur neue, angenehme Unter haltung, sondern auch Bereicherung seiner Literaturkenntnisse auf einem weiteren, sehr ausgedehnten Gebiete. Freie Abende müssen benutzt werden, um gute und meinetwegen auch minder gute Konzerte zu besuchen, die fördern, ohne große Geldaus gaben zu verursachen; Gartenkonzerte, wo er Kunst- und materielle Genüsse vereinigen kann, sind für einige Nickel zugäng lich, zu vornehmen gibt es für einen jungen Sortimenter meist Freikarten. Durch häufigeren Besuch solcher Konzerte erhält er nicht nur neue Anregungen, sondern die in neuester Zeit besonders sorgfältig ausgeführten Programme belehren auch. Kommen ihm aber dabei nun flüchtig aus gestellte zur Hand, so ist das eine neue Fundgrube, da das kritische Nachprüfen neue Kenntnisse vermittelt. Der erfahrene Gehilfe kann über die Wahlzettel im Fluge hinweggehen, der Anfänger soll sie möglichst sorgfältig durchstudieren, wobei sich ihm eine Fülle von Lehrstoff erschließen wird. Sehr zu empfehlen ist jedoch, den wiederkehrenden Lobeshymnen der Verleger sein Ohr zu verschließen. Hat er einmal besonders viel Zeit, so kann er sich Wohl auch die kräftigsten Schreier notieren, er wird dann bald finden, daß es immer dieselben sind. Die unbestreitbaren Vorzüge der Wahlzettel liegen nicht allein in den Neuigkeiten, die sie stets pünktlich bringen, sondern auch darin, daß sie dem wissensdurstigen Jüngling zeigen, in welcher Weise im Musikverlage Dubletten erzeugt werden, und ihn damit auch über die Grenzen dieser Wahlzettel-Erkennt- nts belehren. Wenn er ganz plötzlich im Wahlzettel einen neuen Tanz entdeckt, von dem zwölf Verleger behaupten, allein die wirkliche Originalausgabe zu führen, so soll er sich keineswegs die zwölf Komponisten und zwölf Verleger merken. Das wäre im höchsten Maße Verschwendung, da der liebens würdige musikalische Janhagel rasch dem einen oder dem anderen, vielleicht auch zweien die Palme reichen wird. Ganz wichtig ist es auch, wenn der junge Musikalienhändler, ohne sich aufdringlich zu gebärden, den musikalischen Gesprächen der älteren Gehilfen mit der männlichen Kundschaft zuhört; die mit der weiblichen haben weniger Nutzen für ihn: was dabei geflirtet wird, fällt ihm später ohne Lehr meister zu. Sehr wichtig ist es noch, gute musikalische Zeitungen, die wohl in keinem Sortimente fehlen, zu lesen. Da findet er oft treffliche Urteile über Neuigkeiten, Konzertberichte u. dgl. m.; auch die Kunsiberichte guter Tages zeitungen in großen Städten sind zu beachten, während die in kleineren Orten weniger zu empfehlen sind. Wenn ein Lehrling sich so mit Lust und Liebe in seinen Beruf hinein gearbeitet hat, so ist er, ohne besondere Lernübungen gemacht zu haben, ganz von selbst mit der Zeit ein guter Sortimenter geworden. Ebenso hat er von den namhaften Komponisten ihre musikalische Richtung und Charakteristik in sich ausge nommen und ihre Hauptschöpfungen kennen gelernt, ohne je mals sich dazu präpariert zu haben. Er wird auch niemals ein Couplet von irgend einem Schubert bet dem Altmeister des Liedes Franz Schubert suchen und kann den eigensinnig sten Kunden belehren, daß Johann Strauß, Richard Strauß und Oskar Straus keine verwandtschaftlichen Beziehungen, vor allen Dingen keine musikalischen zueinander haben. Vielleicht gelingt es ihm dann auch, beim Suchen nach den Ver legern den Band zu bezeichnen, in dem dieses oder jenes Werk zu finden ist. Zu wissen, was in dem 1. bzw. 15. Band zu suchen ist, bedeutet kein Kunststück, aber die Erledigung der Bestellungen ist ein nie versagender Probierstein. Einen großen Teil dieser Arbeit muß ein Sortimenter ohne Hilfs mittel ausführen können, nur bei den Vielschreibern ist es nicht immer möglich, da zu viele Verleger in Betracht kommen. Ausnahmen selbstverständlich zugestanden, muß ein guter Sortimenter wie der Artillerist, der beim dritten Schutz sein Ziel getroffen haben soll, beim dritten Griff in die Kataloge (es gibt zurzeit 15) die benötigte Auskunft gefunden haben. Gelingt ihm das nicht, so ist er eben noch kein guter Sortimenter.
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