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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.04.1914
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- 1914-04-30
- Erscheinungsdatum
- 30.04.1914
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98, 30. April 1914. Redaktioneller Teil. vörlenblaU f. d. Dtschn. vuchhandel. modernen Wirtschaftslebens heraus zu erfassen versuchen. Dieser wird uns verständlicher, wenn wir den Kern seines Wesens aus der Geschichte seines Werdens herausgeschält haben. »Wie der Geist unserer Zeit geworden ist, und wie er sich heute gestaltet«, über diese Frage verbreitet sich, um mit den eignen Worten des Verfassers zu reden, Werner Sombart in seinem Buche »Der Bourgeois«*). Es handelt sich gegenüber den bisherigen Forschungsergebnissen um eine völlige Umwertung der Genesis und des Wesens des modernen kapitalistischen Geistes. Dieser vom Verfasser selbst betonte Umstand nötigt zu einiger Vorsicht bei der Bewertung der Ergebnisse des Buches, von denen noch nicht gesagt werden kann, ob sie die Wissenschaft und die Allgemeinheit sich restlos zu eigen machen können. Immerhin bedeutet das Buch einen wichtigen und beachtenswerten Beitrag zur Klärung der Meinungen über eine Erscheinung, die unser gegenwärtiges Leben als eine Art von Geisteslyrannis be herrscht. Der Verfasser sagt, daß sich sein Buch unter den Händen zu einer Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftslebens ausge wachsen habe, die sich hauptsächlich dadurch von allen anderen Versuchen unterscheide, daß die Tatfachenbasis, die Untermaue rung der seelischen Analyse mit historischem Material, in ihr gegeben sei. Er beschränkt sich bei seinen Nachweisen im wesent lichen auf den Kulturkreis der europäischen Völker und entwickelt in den beiden einleitenden Kapiteln, ausgehend vom Geist im Wirtschaftsleben überhaupt, zunächst das Werden und Wesen der vorkapitalistischen Wirtschaftsgesinnung (der natürliche Mensch, natürlicher Ausgleich von Produktion und Konsum). Das erste Buch, das die Entwicklung des kapitalistischen Geistes behandelt, gliedert sich in die vier Abschnitte: Der Unterneh mungsgeist, Der Bürgergeist, Die nationale Entfaltung des kapi talistischen Geistes, Der Bourgeois einst und jetzt. Zunächst der Unternehmungsgeist. Das Aufkommen der Gier nach Gold und Geld zeitigt die Urformen der zum Erwerb angewandten Mittel: Gewalt (z. B. Straßenraub, Seeräuber- Unternehmung), Zaubermittcl (Schatzgräberei, Alchimie), Geistes mittel (Erfindungen, Projektenmacherei) und Geldmittel (Gcld- leihe, Spielwut, Spekulation, z. B. Tulpenmanie in Holland usw.). Dem Wesen des Unternehmungsgeistes weiter nach gehend, gelangt der Verfasser zu den Persönlichkeiten des Erobe rers, Organisators und Händlers, Weiler zu den Organisationen selbst, dem Kriegszuge, der Grundherrschast, dem Staat und der Kirche. Den Schluß des ersten Abschnittes bildet die Behandlung der Grundtypen des kapitalistischen Unternehmertums (der Frei beuter, der Feudalherr, der Staatsbeamte, der Spekulant, der Kaufmann und der Handwerker). Besonders interessant sind die Kapitel des zweiten Ab schnitts (Der Bllrgergeisl) von den beiden bürgerlichen Tugenden: der heiligen Wirtschaftlichkeit (masssri-ia. bei dem Florentiner Grotzkaufmann L. B. Albertt, d. i. grundsätzliche Verwerfung der seigneuralen Lebensgestaltung, Übergewicht der Einnahmen über die Ausgaben, Idee und Ökonomie des Sparens, Haushalten als Ökonomie der Kräfte usw.) und der Geschäftsmoral (Moral beim Geschäft, bei der Ausübung des Geschäfts, und Moral fürs Geschäft, im Interesse des Geschäfts). Sehr wertvoll und wichtig, ich möchte fast sagen lehrreich für das Sortiment ist das folgende Kapitel von der »Rechenhaftigkeit« (Neigung, Gepflogenheit und Fähigkeit, die Welt in Zahlen aufzulösen — kaufmännisches Rechnen — und diese Zahlen zu einem kunstvollen System von Ausgaben und Einnahmen zusammenzufassen, — einfache und doppelte Buchhaltung). Welche Bedeutung diese Rechenhaftigkeit für den oberitalienischen Handel des Mittelalters gehabt hat, lehrt die Geschichte. Der Gewährsmann Sombarts, der Franklin des alten Florenz, L. B. Alberti, drückt diesen Wert in drastischer Form aus, indem er sagt, es stehe dem Geschäftsmann Wohl an, wenn er immer die Hände mit Tinte beschmiert habe. Sombart geht dann im dritten Abschnitt des ersten Buches näher auf die nationale Entfaltung des kapitalistischen Geistes *> Werner Sombart, Der Bourgeois. Zur Getstes- geschichte des modernen Wirtschastsmenschen. 8". (VII, 826 S. m. Lach- u. Autorenrcg.) München n. Leipzig 1K18, Dnncker k Hnmblot. .« 12.—: ged. ./k 13.80. ein (Italien, Pyrenäenhalbinsel, Frankreich, Deutschland, Hol land, Großbritannien, Vereinigte Staaten). Im vierten und letzten Abschnitt des erstenBuches werden die Typen desBourgeois von einst und jetzt in ihren fundamentalen Unterschieden neben einandergestellt. Dabei ist der Verfasser beim modernen Wirt- schaftsmenfchen angelangt, dessen Tätigkeit, Geschäftsgrundsätze und besondere Eigenschaften beleuchtet werden. Hier müssen wir uns etwas länger aushalten. Zu den besonderen Zügen des Unternehmertums, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen gelernt und zum größten Teil in die Gegenwart herübergenom men haben, gesellt sich ein neues, für unsere Zeit charakteristisches Moment. Sombart sagt darüber: Der Mensch hat, was er bis zum Schlüsse der frühkapitalistischen Epoche geblieben war, auf gehört, das Maß aller Dinge zu sein. Möglichst hoher Erwerb und möglichste Blüte des Geschäfts sind das Ziel. Weil die Unternehmer die Geschäftsblüte wollen, müssen sie den Erwerb betreiben, auch wenn sie ihn gar nicht mit Bewußtsein als Ziel sich borgesetzt haben. Sombart zitiert hier Walther Rathenau: »Ich habe noch niemals einen Geschäftsmann ge kannt, dem das Verdienen die Hauptsache seines Berufes war, und ich möchte behaupten, daß, wer am persönlichen Geldgewinn hängt, ein großer Geschäftsmann überhaupt nicht sein kann. Was jedem Unternehmer vielmehr immer am nächsten am Herzen liegt, das ist etwas anderes; das, was ihn ganz erfüllt, ist das Interesse an seinem Geschäft.« Das wird dann weiter ausge führt. »Das Objekt, auf das der Geschäftsmann seine Arbeit und seine Sorgen, seinen Stolz und seine Wünsche häuft, ist sein Unternehmen; es heiße, wie es wolle: Handelsgeschäft, Fabrik, Bank, Reederei, Theater, Eisenbahn. Dies Unternehmen steht ihm gegenüber wie ein körperlich lebendiges Wesen, das durch seine Buchführung, Organisation und Firmen ein unabhängiges wirt schaftliches Dasein führt. Der Geschäftsmann kennt kein anderes Trachten, als daß dieses Geschäft zu einem blühenden, starken und zukunftsreichen Organismus erwachse.« Die Erreichung dieses Zieles hat aber den Erwerb, den Profit, das Prosperieren des Unternehmens zur Voraussetzung. Die Fortsetzung des Weges kennt im Gegensätze zur früheren Wirtschaftsform, die durch den »standesgemäßen Unterhalt« charakterisiert wird, keine Begren zung des Erwerbes und keine Begrenzung der Blüte eines Ge schäfts. »Immer hoffen wir«, sagt Carnegie, »daß wir uns nicht noch weiter auszudehnen brauchen, stets aber finden wir, daß ein Aufschub weiterer Ausdehnung einen Rückschritt bedeuten würde«. Der Mensch als Unternehmer ist zum Sklaven seines Unterneh mens geworden. »Kapital wird auf Kapital gehäuft, weil das Geschäft wächst.« (Rockefeller.) Sombart fühlt sich bei Betrach tung der Seelenstruktur des modernen Unternehmers in die Welt des Kindes zurückversetzt. Man habe es mit einer unge heuren Reduktion aller seelischen Prozesse auf ihre allerfeinsten Elemente zu tun, einem Rückfall in die Zustände der Kinder seele. Das kommt in der Quantitätsbcwertung, in der Schnellig- keit der Geschehnisse, im Reiz des Neuen und im Machtkitzel zur Geltung. Das Tempo der Arbeit absorbiert alle Kräfte. Für die Pflege des Geistes und Gemüts bleibt keine Zeit. Die Seele verdorrt. Das Verhältnis zu den Frauen wird ein anderes. Die Geschäftsgrundsätze bestehen aus absoluter Rationalität, die Wirtschaft ist auf reine Tauschgüterproduktion ausgerichtet, der Kunde wird ausgesucht und angegriffen, die größtmögliche Ver billigung der Produktion angestrebt, Ellbogenfreihcit wird ge fordert, um die für das Erwerbsstreben gesteckten Ziele ungehin dert erreichen zu können, der Erwerb kennt keine Rücksichten mehr. Wenn wir an dieser Stelle einen Blick auf die Großbetriebe im Buchhandel werfen, soweit sie von prominenten Persönlich keiten geleitet werden, so können wir uns zwar des Eindrucks nicht erwehren, daß sie von der geschilderten Entwicklung des modernen Wirtschaftsgeisles keineswegs unbeeinflußt geblieben sind, daß sich aber doch ein durch die Eigenart der Ware gegebenes hemmendes Moment in das rücksichtslose Streben nach Erwerb und Geschäftsblüte einschiebt; ein bestimmtes Maß von geistiger Regsamkeit, wie es der Handel und tägliche Umgang mit Büchern mit sich bringt, deren Ideengehalt und ethischer Wert am Buch händler nicht spurlos vorübergehen kann. Man kann das auch so 7ll
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