Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.12.1865
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 13.12.1865
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18651213
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-186512134
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18651213
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1865
- Monat1865-12
- Tag1865-12-13
- Monat1865-12
- Jahr1865
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2886 Nichtamtlicher Tb eil. 152, IS. December. Nichtamtlicher Th eil. Reform des deutschen Buchhandels. Als bei Gelegenheit der Katastrophe unseres herrlichen Gutz kow hier und da in den deutschen Schmerzensruf Stimmen, zum Lheil vorlaute Stimmen sich mischten, die das unzulängliche Ho norar des deutschen Schriftstellers als Ursache dieses und so manchen ähnlichen Unglücksfalles erklärten: erhob sich eine der achlungswerlhesten deutschen Buchhandelssirmen zur Entgeg nung. Zahlen wurden vorgeführt — und Zahlen beweisen; be weisen — ja für den Einzelfall! Aber für die Gesammtheit, für unsere Zustände im Allgemeinen bewiesen und beweisen sie gar nichts. Wer sich auf diesem Gebiete heimisch gemacht hat, kann die traurige Wahrheit nicht verleugnen, daß unser deutsches Wissen kärglich bezahlt wird. Unser deutsches Wissen betonen wir. Gerade die Belle tristik steht sich noch am besten. Aber die Wissenschaft in der Feder hat sich seit lange, in der neuesten Zeit unbestritten ans Darben gewöhnen müssen. Der Verfasser eines Buches, welchem jahrelange Studien und Forschungen voraufgehen müssen, ehe ec ans Licht treten kann, wird armseliger honorirt als ein Eopist. Berechnet der gleichen Erzeugnisse nach der Zeit und ihr werdet den Ausspruch nicht übertrieben finden, daß oft ein Handarbeiter einen höheren Tagelohn empfängt! Der Trost, daß dafür die Wissenschaft sich selbst belohnt, ist so nichtig wie der zweite, daß Verfasser dieser Art auch andere Beschäftigungen haben, andere Aemter bekleiden. Das Selbst bewußtsein und die äußere Anerkennung sind schlechte Verzie rungen des Hungertuches. Und wenn ein Honorarprofessor heute Verfasser einer gedruckten Theorie sein mag, so folgt wohl dar aus noch nicht, daß eine andere Theorie auf dem Dachstübchen zur Welt kommen kann, wo kein Professor an der Wiege sitzt. Und doch ist nur Wissen Reichthum! Wir unterhalten uns mit Novellen und Gedichten, wir sind oft durch schöne Dramen in eine andere Welt versetzt. Unsere praktische Welt, das wird Nie mand wegzuleugnen wagen, kann nur durch reales Wissen geför dert werden. Nun sind wir weit entfernt, dem Buchhändler die Schuld hieran aufzubürden — aber dem Buchhandel wälzen wir einen großen Theil davon auf die Schultern. Der andere größte Theil nämlich fällt unseren öffentlichen Zuständen zu. Unsere Kammern bewilligen ihren Regierungen viel, oft zu viel für materielle Zwecke; für die Wissenschaft im Werden, für die Wissenswerte selbst bewilligen sie nichts; sie denken kaum daran! Wo ist die deutsche Regierung, welche, wie in Amerika der Staat in seiner engsten Bedeutung, alljähr lich thut, aus öffentlichen Fonds die gediegenen papiecnen Er zeugnisse des menschlichen Denkens ankaufr und verbreitet? So ist die Wissenschaft bei uns an das bloße Belieben des Einzelnen gewiesen, zumal die öffentlichen Bibliotheken ein ge ringes Surrogat dafür bieten, wenn sie kaufen, während die Leihbibliotheken dergleichen gar nicht kaufen. Alle Welt über- läßt's dem Individuum, und dieses? Dieses? würde kaufen, wenn es nicht — und damit tritt der Buchhandel auf die Scene — die Bücher „zur Ansicht" erhielte. „Zur 7tnsicht!" Damit ist alles gesagt. Nicht der Buchhändler, nein, das große Publicum allein genügt als Zeuge der Wahrheit des Aus spruchs: Von 100 Exemplaren eines wissenschaftlichen Buches, welche zur Ansicht umhergesandt werden, wird Eins verkauft. Das ist annähernd schon bei Bildern und sonstigen trivialen Preßerzeugnissen der Fall, um wie viel mehr in der Wissenschaft! Der deutsche Buchhandel hat es aber in seiner Hand, diesem Unwesen zu steuern. Es bedarf nicht einmal allgemeiner Ver- bietungsvorschciften, sondern nur des gegenseitigen Versprechens, das „Ansichtsenden" abzuschaffen. Wer dagegen handelt, erhält kein Conto. Damit ist der bedeutendste Riegel vor geschoben. Damit steht ein zweites, den Debit in mittelbarer Weise be rührendes Uebel in Verbindung, welches wir den Krebsschaden unserer literarischen Geschäftszustände zu nennen keinen Augen blick anstehen: der buchhändlerische Credit. Wer wird es leugnen, daß den gegebencnZuständenRechnung getragen werden muß, zumal solchen, die aus einmal angenom menen Grundsätzen sich nicht nur entwickelt, sondern förmlich eingenistet haben. Aber, fragen wir, gilt das auch dann, wenn sie, wie hier augenscheinlich, das Gegentheil der Theorie in der Praxis entwickeln? Für wie viele Fachgenossen ist nicht dieser „Segen" des Credits zum Fluch geworden? Wie viele, weniger gut fundirte Handlungen gibt es nicht, die vor der Leipziger Ostermesse längere Zeit hindurch am Abgrund stehen, mindestens in dichtem Nebel, weil sie selbst nicht wissen, ob sie was erübrigt haben, oder — bankrott sind? Aber auch in der Theorie hat in unseren Tagen der buch händlerische Credit seine entschiedenen Bedenken, weil er dem Umfange wie der Zeit nach maßlos geworden und alle Schranken überschreitet, welche alle anderen Industrie- und Gewerbszweige ihm gezogen haben. Denn er muß, mit seltenen Ausnahmen, fast allen Collegen auf 1, 1^, oft 2 Jahre gewährt werden. Da her auch die Masse dir Niederlassungen auf diesem Gebiete, eine beispiellose, in den Verhältnissen so wenig begründete Concur- renz, daß sie, größtentheils sich von Commissionen fristend, den Credit im Nehmen und Geben ausbeutet und, was das Schlimmste ist, in beliebter Schleudermanier den Absatz um jeden Preis su chend, Buchhandel und Wissenschaft auf gleiche Weise entwür digt. Was Wunder, daß die „Ansicht", auf exorbitante Weise vom Producenten solcher Art gewährt, auch vom Consumenten gemißbraucht wird? . Steht auch hier der populäre Verlag in erster Linie, so reiht sich nichtsdestoweniger der wissenschaftliche im strengen oder min der eigentlichen Sinne demselben an. Daß mit dem Wegfälle der „Ansicht" und der Herabstim mung des Credits in Zeit, Maß und Umfang sofort unserem Bücherübel gesteuert werden wird — kommt uns zu glauben nicht in den Sinn. Wir wissen recht wohl, daß wir in der Kauf lust niedergegangen sind, daß wir, unsere Reicheren namentlich, den edlen Geschmack unserer germanischen Stammverwandten jenseit des Canals leider nicht theilen, jene wahrhaft noble Passion, eine Bibliothek zu besitzen, deren Mangel jedes ge diegenere englische Haus, zumal vom Adel, sich zur Unehre schätzen würde. Doch kommt Zeit, kommt Rath ! Reiße man erst das Urübel mit derWurzel aus, und der Segen kann für Buchhandel, Wissen schaft und Autoren nicht ausbleiben. -Die Solidität bringt Kauf lust. Man wandert künftig häufiger zum Buchhändler, sobald man wissen wird, daß er seine Waare, gleich anderen Geschäfts leuten, aufsuchen läßt. Vermehrte Consumtion wird die Billig-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder