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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.01.1863
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 26.01.1863
- Sprache
- Deutsch
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Verhältnissen, in welchen er heute lebt, fort. Beim Beginn des Weihnachtsvcrkaufs hält er eine Revue ab, er sorgt, daß seine Lieblinge in reichlicher Anzahl vorhanden seien, er legt sie in dem behaglichen Verkehr, in welchem er mit seinen Kunden steht, denselben vor, redet über sie, charaktekisirt sie und fühlt für sich und in die Seele des Autors hinein eine erheiternde Befriedigung, wenn seine Absicht gelang. Die Revue im November 1862 ergab kein sehr stattliches Resultat. Das Jahr 1862 hatte weder im eignen noch in frem dem Verlage Bücher erzeugt, die er für die Neigungen seiner Kunden geeignet hielt, oder für die er überhaupt besondere Nei gungen hätte erwecken mögen. Das bereits vorhandene Material wurde also verwendet und es reichte bei der Stille, die überall im Verkehr herrschte, und deren Ursachen so überaus schwer zu erken nen sind, vollkommen aus. Die Lage des Verkäufers wird unter solchen Umständen schwieriger, wenn gleich die Verantwortlichkeit, die er für neue Werke meist zu übernehmen hat, sich mindert. Denn wenn der bestechende und nicht ganz zu dcsinirendc Reiz der Neuheit nicht vorhanden ist, dann soll auch das zu verschenkendeWerk durchaus allen Anforderungen entsprechen; es soll genau für den bestimm ten Empfänger sich eignen und der Buchhändler hat einem gebil deten Publicum gegenüber, welches Kenntnisse und Verständniß für die Literatur besitzt, einen nicht leichten Stand. Die unwillkommene Muße, welche die Decembertage dem Schreiber brachten, hat, während er geduldig auf den Entschluß seiner Kunden über die vorgelegtcn Bücher wartete, ihn einige Gedanken über das Thema spinnen lasten: Welche Bücher kann, darf, soll, muß der gewissenhafte Buchhändler zu verbreiten su chen, der Buchhändler, welcher aus seinem Gewerbe noch mehr ziehen will als den Broterwerb. Einige Fäden jenes Gespinnstes lege ich hier vor. Da der Buchhändler nicht ein Beamter ist, der besoldet wird, daß er nach Kräften seincPflicht thue, sondern da er als ein Kauf mann von seinemHandel sich ernähren will, so kann er dicWaare, welche ihm die geeignete scheint, um aus ihr den Gewinn zu zie hen, nach Neigung und freiem Willen wählen, soweit nicht Ver hältnisse und Umstände außer ihm (und welcher Mensch wäre sol chen nicht unterworfen?) Richtung gaben. Selbst dann aber wird noch stets der Drang nach Freiheit, nach individueller Gestaltung die Stelle finden, durch welche er Bahn brechen kann, und ein Buchhändler wird auch dann noch suchen können, seinen Nei gungen und Wünschen Ausdruck zu geben. Ist er nicht ganz ge darrten- und interestelos, so werden zwei Hauptbcstrcbungen in ihm wach sein, und, wenn sie einander widerstreiten, zu einer Ei nigung geführt werden müssen. Die eine Bestrebung geht auf den Gewinn, die Frucht der Arbeit, sie geht auf die Ausdehnung, auf die Vergrößerung der Firma, auf das mercantilischc Ansehen, welches derselben geschaffen werden soll; die andere dient selbstlos höheren Interessen, sie dient der Literatur, und sucht den Gedan ken, den Werken, den Schriftstellern Geltung zu schaffen, welchen wir Geltung, also Verbreitung wünschen. Je erfüllter wir von unserem Berufe und seiner missionircnden Aufgabe sind, desto ernster wird unser Trachten sein, beide Bestrebungen zu einer einzigen zu einigen. Eine reichliche Anzahl von Genosten vermö gen wir aufzuweisen, denen solches Trachten gelang. Ein Rccept hierzu kann nicht weiter gegeben werden, als daß einfach auf den Regulator hingewiescn wird, welchen ein Jeder an seinem litera rischen Gewissen mit sich führt. Wer des Gewinnes willen grund sätzlich mit schlechten, verderblichen Büchern handelt, ist wohl ein Bücher-Händler; ein Buch-Händler, wie dieser Begriff in Deutsch land sich ausgebildct hat, aber nimmermehr. An einen solchen wenden diese Zeisen sich nicht. Je nach Erziehung, Richtung, Verständniß verschieden ge staltet ist jenes literarische Gewissen; das Leben und seine Ein flüsse lasten es nicht schlummern, sie bilden es weiter aus. Die sem literarischen Gewissen nachzuleben ist die Aufgabe. Aber das kann nicht von uns verlangt werden, daß wir eine Waare, ein Werk dem Publicum trotz seines Begehrens vorenthalten, nur weil es unfern persönlichen Ansichten, unfern Neigungen nicht entspricht, oder weil wir in diesem Fall einem andern Werke den Vorzug gegeben hätten. Unser Einfluß soll nicht dahin gehen wol len, unsere Ansichten aufzudrängen. Das würde eine Einseitigkeit erzeugen, welche uns und unser Geschäft schließlich ifoliren müßte. Sie würde unfern materiellen Nachtheil mit sich führen, und die Wirkung, welche wir da besitzen, wo unser Rath und unser Ur- theil in Anspruch genommen werden, schwächen. Unser Gewissen haben wir da zu befragen, wo wir frei handeln, wo wir entschei den oder auf die Entscheidung bestimmend wirken. Und auch dann ist nicht absolut zu verstffhrcn. Denn cs ist nicht wohl angebracht, das Beste nach der Stelle zu dirigiren, an welcher wir kein Ver ständniß für das Beste voraussetzen können. Das minder Erha bene, leichter Faßliche ist häufig geboten und zieht und erzieht zum Besten. So mögen die Personen sorgfältig betrachtet, die Um stände mögen genau erwogen werden; nach solchen Prüfungen hat der gewissenhafte Rath zu erfolgen, und zwar hat er lediglich nach dem Spruch des Gewissens zu erfolgen. Ohnehin erkennt der feine Blick des kaufenden Publicums schließlich doch, ob uns unser Urtheil oder unser Vortheil bestimmte, und es bewährt sich auch hiebei die alte Regel, daß die größte Klugheit in der größten Wahrheit beruht. Nicht nur in derHand des Verlegers, des Producenten, ruht der Einfluß des Buchhandels auf die Entwickelung der Literatur; in der Neigung, in dem gutenWillen und dem Vortheil desSor- timentsbuchhändlcrs liegt eine ebenso folgenreiche Wirkung. Es gibt Werke, deren bedeutender Absatz vornehmlich darin seinen Grund hatte, daß die Sortimentsbuchhändler Neigung für sic oder ihre Verleger empfanden. Durch solche Neigungen sind manche Bücher bei weitem mehr gefördert, als ihre Bedeutung mit sich zu bringen schien; durch Abneigungen des Sortiments- Handels sind andere stärker zurückgcdrängt, als billig. Wenn nun solche Neigungen und Abneigungen, durch Bildung und Kennt nisse geregelt, sich der Erscheinungen der Literatur bemächtigen, wenn ein gleich ernster Sinn die Mehrzahl unter uns einigt, wenn durch ein gemeinschaftliches Hinstrcben zum Guten und zum Be sten das Schlechte und minder Gute zurückweichcn, oder sich auf die Stellen beschränken muß, wo ein kleinerer Sinn ihm noch Eingang öffnet, dann wirkt der Sortimentshaadel gebieterisch auf den Verlagshandel zurück und treibt, zwingt ihn zum Guten. Hier liegt auch der Einfluß, der uns in Bezug auf das öffentliche Leben zugcschricben wird. Wir können helfen, Gedanken rasch und vielfach zu verbreiten, welche wir zu den unsrigen machten; uns widerstrebenden Gedanken können wir den Eingang erschwe ren, ja zuweilen ihn lähmen. Frisch aus der Werkstatt heraus treten die neuen Gedanken zuerst an uns heran; wir bilden nicht selten für neue Gedanken, für neue Richtungen, für ihre Ver treter, die Schriftsteller, das Parterre einer ersten Ausführung; von unserer Aufnahme hängt es oft ab, ob und wie weit Andere sich mit ihnen beschäftigen werden. Diese unsere Einflüsse haben selbstverständlich ihre Grenzen und diese Grenzen liegen überall unserem Auge so nah, daß wir keinen Grund haben, übcrmüthig und stolz zu werden und jenen Einfluß zu überschätzen; innerhalb jenerGrenzcn aber haben wir volle Freiheit und wir dürfen sie benutzen, um das Gute zn för dern, wo und wie wir es erkennen. Ein Weiteres kann und darf nicht von uns verlangt werden, als daß der Einzelne den Gedan-
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