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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.08.1861
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- 26.08.1861
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- Deutsch
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wurde. Auch mancher andere Dichter wurde durch Fürstengunst dem Elende entrissen, so Salejus, dem Vespasian ein Geldge schenk von 500,000 Scstcrzcn oder 99,400 Fr. überwies. Kein Wunder, daß solche Beispiele reizten! Wenn daher Pcrsius spottet: der Bauch und die Hoffnung auf das trügerische Geld treibe die Dichter zur Produktivität, so ist allerdings damit nicht sowohl die kärgliche Lockspeise der Buch- bandler angedeutet, als die Treibjagd aus hohe Gönnerschaften, die auch Juvenal mehrfach geißelt. Aber nicht Jedem gelang cs, einen Mären zu finden; man klagte, die Mäcenc, die Cotta und die Lentulus wären ausgcstorben. Serran blieb arm, ebenso Statins, der Dichter der Thebais, ungeachtet des ungeheuren Zudrangcs zu seinen öffentlichen Vorlesungen. Da war es denn an der Tagesordnung, daß Dichter ihr Hab und Gut, Mantel und Geschirr versetzten; kein Wunder, wenn Juvenal ihnen räch, sie sollten die Poesie an den Nagel hängen und lieber Ba der oder Stadllausrufer und Auktionator werden. Es gab indes sen auch solche, die, wie eben Persius und Juvenal selbst, von Fürstcngunst nichts wissen wollten und um Gönnerschaften sich nicht kümmerten. Um alles Gold der Welt mochte der Letztere nicht, gleichwieMartial, in schlaflosen Nächten dichtend nach aus- gesetzten Belohnungen Haschen, stets bangend und mit Mißtrauen von dem hohen Gönner überwacht. Und freilich war bester da ran, wer solchcHilfsquellcn sich nicht zu erschließen brauchte, wer, wie Jene, nicht mit Nahrungssorgcn zu kämpsen hatte; am be sten, wer reich war wie Lucan. Natürlich gab es nicht bloß hungernde Dichter. In Rom zumal wimmelte cs auch von Gelehrten, von Historikern, Gram matikern und Rhetoren, von Rednern, Juristen und Advocaten; und diesen Allen erging es eben nicht bester. Namentlich, sagt Juvenal, sei die Arbeit der Historiker, trotz des maßlosen Auf wandes an Mühe, Zeit und Ocl, ebenso wenig einträglich; Nie mand zahle ihnen nur soviel, als man dem Actenlescr zahle. Also dem Anschein nach doch etwas, und dieses Etwas könnte wohl ein karges Honorar der Verleger gewesen sein, ein so karges, wie cs heute gemeinhin die Verfasser historischer Werke beziehen. Minder kärglich, scheint es, verfuhr man in der Gewährung von Freiexemplaren. Martial bekam deren stets eine Partie zur Verfügung; daher wir ihn immer etliche als Geschenk an Verwandte, Freunde und Gönner vecthcilen sehen. Aber je mehr er hatte, desto zahlreicher erhoben sich die Ansprüche darauf; jeglicher Bekannte wollte ein Exemplar geschenkt erhalten, um sein Geld zu sparen. Soweit reichten jedoch die Vorräthe nicht, und Martial schlägt deshalb eine Menge derartiger Forderungen rund ab; oft in sehr ergötzlicher Weise, indem er den Begehr lichen an die zunächst gelegene Buchhandlung verweist. Mancher ging auch wohl den Verfasser um ein Geschenkcxcmplar an, um es nachher selbst wieder zu'vcrkaufen. Da ihm nun überdies seine Gedichte weder von Seiten der Verleger, noch von Seiten der Gönner viel cinbrachtcn, so erklärt sich seine spöttische Klage: Jeder möchte dieselben immer nur umsonst haben, Niemand etwas dafür zahlen, d. h. weder der Leser den geringen Laden preis, noch der Verleger ein anständiges Honorar, noch der Gön ner ein baares Gegengeschenk; und er würde sich bester stehen, wenn er Advocatengeschäfte triebe, wenn er seine Worte nicht Jenen, nichtdcm literarischen Publicum, sondern den Angeklagten feilböte. Sahen wir, daß die Billigkeit der Büchcrpreise zunächst eine Folge der ungemeinen Entwicklung des Verviclfältigungsprozestcs und allerdings um so leichter durchführbar war, als die Autoren nur in selteneren Fällen und auch dann nur meist ein geringes Honorar empfangen mochten, so wurde nun anderseits wie derum diese Billigkeit eine Ursache der weitesten Verbreitung der literarischen Erscheinungen und somit auch ihrerseits ein wesent licher Hebel des literarischen Verkehrs überhaupt. Nur so wird cs erklärlich, daß dieser Verkehr selbst in die untern Schichten der Gesellschaft eindringcn konnte, daß selbst der gemeine Mann daran Anthcil nahm. Denn Horaz sagt, was im Buchhandel erscheine, komme auch in die Hände des Pöbels. Der Gedanke an diese unsaubere Berührung drückte so schwer auf die zarten Nerven des aristokratischen Dichtcrgeistcs, daß er sich fast ver schwor, sich nie durch Herausgabe seiner Gedichte gemein zu ma chen. Zum Glück für seine heutigen Verehrer besann er sich bald eines Besseren, oder die Gebrüder Sosius machten ein Mittel ausfindig, seine schwachen Nerven zu stärken. Zwei Momente sind cs noch insbesondere, welche dem buch- händlerischen Vertriebe einen so großen Aufschwung gaben; ein mal die großartige Lcscsucht und die Schöngeisterei des römi schen Publicums, dann der wirkliche Bedarf der Schule und des Hauses. Die Lcscsucht warf sich vorzugsweise auf die belletristische und publicistische Literatur, mit der eben deshalb das Publicum überschüttet ward. Zuweilen geschah cs aber auch, daß eine Er scheinung auf wissenschaftlichem Gebiete, namentlich auf dem der Geschichte und der praktischen Philosophie, ein besonderes Auf sehen erregte, oder daß aus dem Schoße der Belletristik selbst mahnende Stimmen sich erhoben, welche in anziehender und fes selnder Weise auf die Norhwendigkcit einer ernsten, die Erkcnnt- niß bereichernden Lcctüre hinwicsen; und dann warf man sich plötzlich mit einem Eifer, der an Manie grenzte, auf die durch sich selbst oder durch Andere empfohlenen Disciplinen. Nie wurde z. B. die naturwissenschaftliche Literatur mit größerer Begier aufgesucht und verschlungen, als nachdem Lucrez durch sein Ge dicht über die Natur der Dinge, das wie ein glänzendes Meteor Aller Augen auf sich zog, die höchsten Fragen des Lebens in den weitesten Kreisen der Gesellschaft angeregt und die Erforschung der Natur als die Quelle der tiefsten Erkenntniß bezeichnet hatte. Solche Anstrengungen des großen Publicums glichen indessen meist einem rasch verlodernden Feuer. Gemächlicher dünkte dem abgespannten, entkräfteten Geschlecht immerdar die tändelnde Weise der Poesie. Sie bildete die eigentliche Untcrhaltungslcctüre. Traf man den Römer oder die Römerin behaglich auf das Ruhe bett hingcstreckt, ein aufgerolltes Buch in der Hand oder der Stimme des Vorlesers oder der Vorleserin zu ihren Füßen lau schend, fast immer war cs ein Erzeugniß der lyrischen oder der oramatischen Muse, der epischen oder der didaktischen Poesie, welchem das Auge oder das Ohr mit lüsterner oder gesättigter und entschlummernder Aufmerksamkeit sich zuwandte. Die Fri volität des Hofes begünstigte besonders die obscöne Literatur, und das große Publicum kehrte ihr um so weniger den Rücken. Auch Martial verdankte seinen unermeßlichen Leserkreis nicht sowohl dem ernsten, als dem lascivcn Bcstandthcil seiner Gedichte. Und diese Masse des lesenden Publicums, zumal des ästhetische», — wer bildete sie? aus welchen Ständen und Altersstufen war sie zusammengesetzt? Wir müssen sagen: aus allen. Der Ge lehrte wie der Laie, der Provinziale wie der Römer gehörte ihr an, der Knabe so gut wie die Jungfrau, der Greis wie die Ma trone, der Jüngling wie der Mann. Nicht wenig förderlich war zumal für den Buchhandel die Schöngeisterei der römischen Damen, die, wie man uns erzählt, allzugelehrt und allzuberedt erscheinen wollten, die ohne Unterlaß mit Lectüre, und namentlich eben mit ästhetischer, sich beschäftig ten, bald für diesen, bald für jenen Dichter schwärmten, in Ge- 245*
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