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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.12.1842
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- 1842-12-30
- Erscheinungsdatum
- 30.12.1842
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- Deutsch
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3211 112 3212 Schriftstellers befindet sich ununterbrochen auf einer Folter bank. Denn nicht in seiner Ursprünglichkeit und Natürlich keit darf er den Gedanken denken, nicht nach seiner Empfin dung und Ueberzeugung ihn ausdrücken; wie ein quälendes Gespenst schwebt die Censur vor ihm, hält das zwängende Maas des Erlaubten dem schaffenden Geiste entgegen und stört so die Entwickelung seines Produktes schon in der Geburt selbst. — Daraus folgt, daß der Schriftsteller nicht nach inne rer Nothwendigkeit und Kraft, sondern nur nach einem ihm von Außen aufgezwungenen Maaße produciren kann; er muß Gedanken und Ausdruck modeln nach einem fremden Willen und damit auf die Ursprünglichkeit, die natürliche Frische und Originalität seines Werkes — auf der doch allein seine schrift stellerische Geltung und Wirkung beruht — verzichten. So tritt er verschleiert und verlarvt vor sein Volk, für das er denkt und wirkt und von dem er seinen geistigen Lohn zu em pfangen hat. Er muß darauf verzichten, von demselben in seiner Eigenthümlichkeit erkannt zu werden, muß das Ver ständnis; mit demselben — das auf der unverkümmerten Na tur seines Wesens beruht, erschwert und unmöglich gemacht sehen, ja muß die Uumoralität, die in jeder Unwahrheit und Täuschung liegt, unwillkührlich hinübertragen auf das Volk, dem er Wahrheit zu geben mit redlichem Herzen beabsichtigte. — Ist aber das Verständnis des Schriftstellers mit seinem Volke auf diese Weise wesentlich erschwert, so wird er auch noch von der Welt verdunkelt und verdächtigt durch die un vermeidlichen Fehlgriffe und Entstellungen einer von der Ecnsur beherrschten und untergrabenen Kritik, die doch der Hebel der schriftstellerischen Wirksamkeit und seiner Anerken nung sein sollte. — Nicht Jedem ist es gegeben, den ihm aufgczwungcnen Schleier so geschickt zu tragen, daß sein wah res geistiges Antlitz erkenntlich hindurch schimmert; die offen barsten Mißverständnisse der Absicht und des Strebens sind die nothwendige Folge der unterdrückten Eigenthümlichkeit; dazu kommen die direkten Eingriffe der Censur in das schon nicht frei geborene Werk des Geistes und endlich die Unmög lichkeit für den Beurtheilcr, selbst das trotz aller Verhüllung und Verstümmelung erkannte Streben, die wahre Absicht des Schriftstellers offen darzulegen, da auch der Kritiker alle Been gungen der Ecnsur empfinden muß. So entstehen eine Rfthc von Verkennungen, Verdächtigungen und Verdammungen, an denen keine Literatur der Welt so reich ist, wie die unsere; so entsteht eine feindliche Spannung, eine gänzliche Zerfah renheit, eine trostlose Jsolirung in der ganzen Schriftsteller- wclt; und so entsteht endlich die Mißachtung, Scheu und Haltlosigkeit im Volke, die bei uns den Schriftsteller auf die tiefe Stufe in staatlicher und bürgerlicher Bedeutung stellen, auf der wir ihn erblicken, während er in allen Ländern, wo freie Presse herrscht, mächtig und geachtet ist. Und doch ist der deutsche Schriftsteller an Bildung und Wissen nach dem Zeugnisse allcrStimmfähigen keinem der Erde nachstehend. — Wäre cs wahr, was von den Feinden der Aufklärung, des Fortschritts, und also jeder geistigen Strebsamkeit, dem gesummten Schrift- stellcrthum oft unsinnigerwcise zum Vorwurf gemacht worden ist, daß es feil, charakter-, gesinnungs- und übcrzeugungslos sei, und seine Feder Dem widme, der sie am besten bezahlt; wäre das wahr—sagen wir— die Censur hätte den Stand auf diese Stufe moralischer Verworfenheit gebracht. Denn I wenn der Mann seine Ueberzeugung nicht aussprechen kann ^ und darf; wenn es für ihn nur die vom Staate gemünzte Wahrheit — nicht die ewige und einzige giebt — wenn er den fremden Gedanken und den fremden Ausdruck sich aufzwin- ^ gen lassen muß, was soll ihn hindern so viel mehr oder weni- I ger von seiner Ueberzeugung abzuweichen und auch bis zu dem ! Punkte der Unwahrheit zu gehen, wo sie ihm bezahlt wird? So groß wie diese moralischen Nachtheilc — die dem Schriftsteller den einzigen wahren Lohn seiner Arbeit, die un- ^ geschmälerte Anerkennung seines Volkes und in ihr die soge nannte Unsterblichkeit rauben -— sind allerdings die materiel len nicht; und doch genügen sic, seine bürgerliche Stellung und Existenz jeden Augenblick zu gefährden, zu vernichten. — Keine nützliche menschlicheThätigkeit hat inihrcrAusbrcitung und Wirksamkeit eine andere Schranke als das Gesetz; ge nügt sie diesem, so kann sie frei schalten im Staate und von ! ihren Producten jeden erlaubten Nutzen ziehen; der Schrift steller allein ist mit dem edelsten Produkte: der Schöpfung des Geistes, einer schrankenlosen Willkür preisgegcben. Nicht ein Gesetz, das persönliche Ermessen eines oder einiger Menschen entscheidet über das Schicksal seines Werkes, ändert, verstümmelt, zernichtet nach geheimen unbekannten Motiven; die Staatsverwaltung schmälert ihm durch ihre Beamten sei nen Erwerb, oder vernichtet ihn und entscheidet auf erhobene Klage in eigener Sache darüber, ob sie Recht oder Unrecht ge- chan. Die Frucht von monatc- oft jahrelanger Anstrengung zerstört e i n Federstrich und cs giebt keine Macht der Erde, an die er appelliren kann; denn die einzige wirksame Beru fung, die an die öffentliche Meinung, ist ihm mit der Frucht seiner Arbeit zugleich abgeschnitten. Der Buchhändler, dem die Herausgabe eines Werkes nicht gestattet wird, verliert nur dieAussicht aus einen möglichen Erwerb; der Schriftsteller verliert das mühsam Errun gene, das durch redliche Thä tigkeit Erw o rbcn c, den Lohn vollbrachter Arbeit. — ^ Behandelt der Schriftsteller die Fragen des Tages, die Wün sche und Bedürfnisse seines Volkes, wählt er also diejenige Thätigkeit, die in dieser bewegten Zeit den schnellsten und vcrhältuißmäßig reichsten materiellen Erfolg verspricht, so droht seiner Arbeit nicht nur das oben geschilderte Schicksal, sondern es stellen sich der Verwerthung noch andere Hinder nisse entgegen, die sich fast bis zur Unübcrwindlichkeit steigern. Der Buchhändler kann kaum ein derartiges Werk kaufen, denn abgesehen davon, daß er die Censurplagen mit tragen und theilen muß, daß er selbst nach Uebcrwindung derselben Verboten und Beschlagnahmen ausgeseht ist —- bei denen der Staat abermals dem Buchhändler den wirklichen Verlust ersetzt, dem Schriftsteller aber nichts zuerkcnnen will — so hat die letzte Zeit auch später zu erwähnende Maßregeln neh men sehen, die in ihren Consequenzen kein anderes Endziel haben können, als entweder den gesummten Buchhandel zu vernichten, oder ihn in eine Polizeianstalt umzuwandeln, die jede zeitgemäße geistige Thätigkeit zu verfolgen und zu unter drücken, statt sic zu fördern geneigt ist. Endlich ist noch der jenige Theil der Schriftsteller, der sich der eigentlichen Tages- litcratur, dem so unberechenbar wichtigen Zeit ungs wesen widmet, in Deutschland wahrhaft vogelfrei, während in Län dern mit freier politischer Bewegung die Vertreter des Vol kes, die Lenker des Staates aus ihm hervorgchen. Der Vtaal
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