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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.10.1920
- Strukturtyp
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- 1920-10-22
- Erscheinungsdatum
- 22.10.1920
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- Deutsch
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Sir. 238 (R. 154). Letvztp, Freilag den 22. Oktober >020. «7. Iavrgang Redaktioneller Teil. Münchener Briefe. in«), lll siehe Rr. 1VS.) Die Theresienmiese ein Spiegel der Zeit. — Jsaraihen. — Nachklänge an die Räterepublik. — Fremdenverkehr. — Die Insel der Seligen. — Gründung eines Sortimentervereins. — Die Buchhändler-Fachschule. — Nachruf für ft Heinrich Hugendubel. Was dem Münchner das Oktoberfest ist, ja das kann nur der hier Einheimische beurteilen. Sechs Herbste war die »Wies'n» lecr gestanden, und mit schmerzverzerrlcn Zügen mag manch biederer Bürger über den verwaisten Platz gestapft sein. Im Frühjahr hat cs dann einen Kampf im Rathaus gegeben, und das Für und Wider fand die ernstesten Beweismomentei Hie Kohlenmangel, Bierknappheit — hie Verdienstmöglichkeit, Frem- deuindustrie. Hie Sparsamkeit, Ernst — hie Uulcrnehmerwille, Wagemut. So kam denn ein »Herbstfest» zustande. Aber der Münchner nennt es mit arger Schläue eben doch Oktoberfest. Gibt cs ja doch wieder eine »Festwiese» mit ihrem Trambahn- Verkehr auf und ab, wie ehedem: überfüllte Wagen, Reservczüge, Betrieb auf sonst toten Strecken. Vernimmt der Besucher doch wieder wie ehedem auf weite Entfernung jenes typische Gedudel und George! ruheloser Karussells, Schifssschaukeln, das Tamiam der Zauberbuden, die Stentorstimme von »Miß Lolas» Manager. Und gibt es doch vor allem wieder ein besseres Bier. Ein Blick auf das Jubiläumsfest vor zehn Jahren, als man die hundertste Wiederkehr dieser längst zur Weltberühmtheit ge langten Urmünchner Erscheinung feierte mit fröhlichem Pomp, gutem Bier, unter bayrischblauem Septemberhimmel — und man hat im Buche der Zeit gelesen. Nicht die räumliche und quali tative Einschränkung ist es, was den sehenden Beschauer keiner Täuschung anheimfallen läßt. Man muß durch die Menge gehen und sie vergleichen mit jener vor zehn Jahren, um die Müdig keit dieses Festes zu erkennen. Nicht so die Menge selbst. Man hat »Vollbier», heiße Würste, »Steckerlfische», Pfeffernüsse, Nürn berger Plätzchen, Honigkuchen. Und man drängt sich durch di« Gassen der kleinen Budenstadt, man kehrt willig um, wenn man vorzeitig ihr Ende erreicht hat. Und an dem Zelte mit eng lischen Pseudonymen geht ein Mensch vorbei, fahl, abgcmagert, mit schemenhaftem Schritt und — blind. Mögen andere freundlicher« Eindrücke mit nach Hause ge nommen haben, ich konnte kein anderes Bild sehen. Die Münchener Kunstausstellung 1920 im Glaspalast wird bald ihre Tore schließen. Kann die Frequenz eine mäßige ge nannt werden, die Darbietung war reich und beglückend. Es hat ja doch Wohl noch gute Wege mit dem Verlöschen Münchens am Sternenhimmel der Kunst! Heil dir, du Stadt der Musen, und Heil euch, ihren Jüngern! Seid gegrüßt ob eurer Kraft; sie ist uns Beispiel, und solches vermag viel, oft alles. Immerhin regt man sich auch anderswo, der Kunst eine Stätte zu schaffen, um so der Gemeinde einen bedeutenden Anziehungs punkt zu verleihen. Die Münchner mögen nach Frankfurt sehen ') Der Abdruck dieses Briefes wurde durch die Leipziger Streik störungen unliebsam verzögert. Red. und Prüfen, was getan ist, um einer Schwächung von Münchens ausschlaggebender Eigentümlichkeit zu begegnen. Man mutz wissen, wie zuzeiten der Räterepublik aus der Prophezeiung von Münchens Niedergang geradezu ein Bonmot gemacht wurde. Diese in der Tat unrühmliche Periode ist in einem Roman festgehalten, der unlängst erschienen ist. Wer die Blüten ab stoßender Sensationsmacherei hat emporschietzen sehen, kann nicht anders als mit Mißtrauen an dieses Buch herantrcten, und kann Wohl nicht anders, als es mit einem starken Gefühl der Aner kennung aus der Hand legen.') Anerkennung erfordert die vor nehme Art, wie hier Geschehnisse von tragischer Bedeutung und erschütternder Wucht mit einer Wohl nicht anders als durch tat sächliches Miterleben erklärlichen Zurückhaltung behandelt und gerade dadurch als Geschehnisse solchen Grades offenbart werden. Wer seinerzeit selbst mitten in den tollen Wirbel entfesselter Lei denschaft zu stehen kam, muß in diesem Roman ein Werk sehen, welches Achtung gebietet. Hellblau lackierte Autos mit Menschen vieler Länder beladen, »Fremdenautos» heißt sie der Münchner, fahren heiter über die damals blutgeröteten Pslasterklötze. Der Fremdenverkehr, durch herrliches Sommerwetter begünstigt und durch keinen Paßzwang behindert, hat zum erstenmal das Straßcnbild wieder vervoll ständigt, und das Münchner Kind ist darauf nicht weniger stolz, als auf eine andere nach langer Trennung wiedergekommen« Erscheinung: den Pickelhelm der Münchner Schutzleute. Man verzeihe, wenn dieser Raum für rein lokale Notizen ohne beruflichen Einschlag mißbraucht erscheint; für uns kann hierin kein Mißbrauch bestehen, da wir solche Daten als einen Teil unseres Rechts und unserer Pflicht betrachten. Dies in Parenthese. Tatsächlich gibt es allerhand von Berufs wegen zu sagen. Da ist zunächst unsere Kriegswirtschaftsstellc. Sie waltet unentwegt (weil unenthoben) ihres Amtes von eigenen Gnaden. Der Münchner hat da ein ganz eigenes Wort, und wenn man mit ihm den Verkehr zwischen besagter — Arbeitsbcschaf- fungsstelle und ihren widerspenstigen Hörigen bezeichnet (wo bei das aktive Moment den letzteren beizulegen ist), so hat man alles in eins gelegt: »derblecken«. Immerhin hat man das Pa pier für Borngröbers »Reigen» genehmigt, der übrigens hinter den achtbarsten Schaufenstern hängen gesehen werden kann, wäh rend man Borngräber selbst einmütig vics versa entgegentritt. Wir hatten hier bislang einen Münchner Buchhändlcrverein und eine Vereinigung Münchner Verleger als berufliche Körper schaften. Nun ist ihnen ein Genosse entstanden: der Münchner Sortimentcrvcrein. Man könnte seine Gründung bejahen, wenn man als Ursache den Umstand bedenkt, daß der Buchhändlerverein aus Verlegern und Sortiinentcrn sich zusammensetzt, eine reine ') Marie Amelie von Godin: Unser Bruder Kain. Ein Roman aus der Münchener Räterepublik. 8". 18 Bg. Askanischer Verlag, Berlin. I2S7
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