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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.11.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-11-13
- Erscheinungsdatum
- 13.11.1920
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19201113
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192011133
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1920
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Redaktioneller Teil. >t! 257, 13. November 1920. Leser überlassen, was man unter -sozialistischen Buchhandrungen« verstehen will. Soweit also Herr Delbanco bei Herrn Elberseld Beweise sür seine Ansichten findet, sind sie nur zulressend sür einen geringen Bruchteil solcher Buchhandlungen. Herr Elder- seld ist ein anscheinend noch junger unabhängiger Sozialist. Er hat in irgendeiner Stadt eine der seit zwei Jahren in der Nach kriegszeit entstandenen Geschäftsstellen oder Filialen neuge« gründete! unabhängiger Zeitungen besucht, die nebenbei etwas Schriftcnberlried Pflegen, und hat an deren Zustand eine jedenfalls zutreffende starke Kritik geübt. Er schreibt: -In einer schmalen, schmutzigen Gasse findet man nach einigem Suchen den Eingang zu einem VerkausLladen, der eine sozialistische Buchhandlung sein soll. In dem kleinen Schaufenster hängen lange Reihen von Poftkarlensericn, an den Wänden des Schaukastens einige vergilbte Nummern der ,Freien Well', .Guillotine', Vobachs Damen- nnd Kindermodenzeitschrisl. Ans dem Boden des Kastens liegen oder stehen einige Kistchen Zigarren, Schulschreibheste, Malkasten, Bebels .Aus meinem Leben', Bücher der Internationalen Bibliothek, Bro schüren über die gewesenen Berliner Strahenkämvse und den Lede- bourprszeß, ferner Ullstcinbüchcr, Marlitt- und Kometromane.« Etwas Weiler: »An der Seite liege» Broschüren über das Betriebsrätegesetz und in holder Eintracht die allcrerbärmllchste Schundliteratur . . . . So sieht diese Buchhandlung aus, l» der Großstadt gelegen. Tie beiden mit mir in den Laden getretenen jungen Arbeiter werden von einem vielleicht lstsährlgen jungen Fräulein .bedient'. Und dieses Fräulein muß mau gesehen, muß man gehört haben, um meine Entrüstung und diese Kritik zu verstehen. Die Gasse, das Außere und Innere der Buchhandlung, dazu eine Berkäuscrin. ausgcstaltet mit der ganzen grenzenlosen Unfähigkeit und Urteilslosigkeit einer bürgerlichen Ideologie; — ivas die sür eine Vorstellung von Reli gion und Sozialismus ln sich hatte! Ist es nicht geradezu auf reizend, wenn junge Arbeiter, durch ihren Sern- und Wissensdurst gezwungen, ln die einzig möglich« Buchhandlung ihrer Stadt gehen und dann niemand da ist, der ihnen ein gutes Buch empfehlen kann, der ihnen sagen kann: .Mit dieser Literatur mußt du z» lesen be ginnen, bevor du dieses große Werk studieren kannst'. Wo ist hier der Buchhändler, der mit Liebe und Freundlichkeit, mit reichen Bllcherkenntnlssen versehen, der Berater seiner Käufer ist? — Ich habe nichts übertrieben, habe nur ein Beilstiel erzählt. Es gibt viele Brchhandlunacn dieser Qualität, viel mehr schlechte als gute. Eine gute sozialistische Buchhandlung ist eine Seltenheit.« Nun kennt der Leser den Hauptteil der Kritik des von Herrn Delbanco zitierten E.schen Artikels. Was E. noch Weiler ge schrieben hat, sind Schlüsse und Forderungen, für sein hohes Ideal sehr ehrenwert, die verdienten, von jedem Buchhändler ge lesen zu werden. Herr Delbanco hätte nun herausflndcn müssen, daß mit dieser vernichtenden Kritik nur eine kleine Gruppe der »sozia listischen- Buchhandlungen gemeint ist, denn ein unabhängiger Sozialist besucht, angesichts der Kampfstellung seiner Partei zu den Mehrheitssozialisten, keine Buchhandlung der letzteren. Es gibt aber mindestens 40—50 stark entwickelte sozialdemokratische Buchhandlungen und ca. 100 kleinere Buchhandelsabteilungen in Zeilungsgeschäftsstellen und Filialen, die sämtlich hoch über der E.schen Kritik stehen. Ich dars wohl annehmen, daß bei dem starken Interesse, welches Herr Delbanco den Problemen des Sozialismus enlgegenbringt, er sich auch einmal die Mühe ge nommen hat, eine sozialdemokratische Buchhandlung von außen oder von innen zu betrachten. Ich nenne ihm und allen Inter essenten die Buchhandlungen der S. P. D. in Hamburg, Han nover, Harburg, Kiel, Lübeck, Brandenburg, Cottbus, Görlitz, Zittau, Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Halle, Altenburg, Erfurt, Weimar, Jena, Magdeburg, Braunschweig, Bremen, Bielefeld, Dortmund, Bochum, Hagen, Elberfeld, Essen, Duis burg, Krefeld, Düsseldorf, Köln, Frankfurt a. M., Mannheim, Mainz, Ludwigshafen, Darmstadt, Karlsruhe, Stuttgart, Würz burg, Nürnberg, München, Cassel, Breslau, Stettin, Danzig, Kö nigsberg, und vor allem in Berlin die Buchhandlung Vorwärts mit mehr als 50, allerdings schwach assortierte» Zeitungsspeditionssilialen. Außerdem gibt es im Anschluß an die übrigen ca. 100 sozialdemokratischen Zeitungen kleinere, noch in den Anfängen befindliche Buchhandlungsabteilungen, die sich Wohl in den nächsten Jahren kräftiger entwickeln werden. Die vorgenannten Buchhandlungen beschäftigen größtenteils min destens einen gelernten Gehilfen, vielfach aber mehr als einen und verfügen über Lagerbestände, die z. T. den Vergleich mit nritt- 1370 irren bürgerlichen Buchhandlungen nicht zu scheuen brauchen. Es würde mich gar nicht überraschen, wenn Sorrimenlslager im Nettowerte von mehr als 50—100 000 vorhanden wären, den» diese Buchhandlungen stehen zwischen Sortiments-, Reise- und Grosso-Buchhandlungen; sie arbeiten mit einem großen Ver- triebsapparat von 50—200 Zeitungsboten, Kolporteuren und ähnlichen Kräften, und ihr Umsatz geht in die Hunderttausende von Mark. Wenngleich sich die meisten kleineren Geschäfte noch sehr eng auf soziale Literatur begrenzen, so Hallen die mehrent wickelten doch alle gangbaren Gebiete der Literatur vorrätig, vor allem Klassiker und bessere moderne Belletristik, Kunst, Pädagogik, Volkswirtschaft, Gesetzeskunde und Politik, Wörterbücher, Geo graphie, Geschichte, Heimatkunde und Wanderbücher, Radsahr karlen, Opernführer, Schauspieltexte und Dramen modernen Genres, Jugendbücher aller Art, vor allem aber auch ausländische Schriftsteller in guten Übersetzungen, Hausbau, Siedlungssragen, Land- und Gartenbau, kommunalpolitische Schriften usw. Einige halten sogar ein gewähltes Lager guter Musik und säst alle guten Wandschmuck. Die Arbeit unserer in mehr als 100 Kreisen wir kenden Bildungsausschüsse, vereinigt im Zentral-Bil- dungsausschutz der Partei unter der Leitung des bekannten Pädagogen Heinrich Schulz (jetzt Unterstaatssckretär im Ministerium sür Unterricht), hat seit mehr als 12 Jahren sichtend und reinigend gewirkt. Alljährliche Zentralrevisionen in den Parteigeschäften halten ein wachsames Auge auf die gesunde Aufwärtsentwicklung der Geschäfte, und ich möchte den Geschäfts führer der S. P. D. sehen, der in seinem Betriebe noch Zustände duldete, wie sie der Elberfeldsche Artikel kritisiert. Die Hand lungen stehen in lebhafter direkter oder indirekter Geschäfts verbindung (durch Kommissionär oder Buchhandlung Vorwärts) mit den hervorragendsten Verlegern; ich nenne nur Diederichs- Jena, Brockhaus, Teubner, Insel-Verlag, Reclam, Hesse L Becker- Leipzig, Cassirer, Bong, S. Fischer, Heymann, Springer, Vereini gung wissenschaftlicher Verleger-Berlin, Union, Cotta, Deutsch« Verlags-Anstalt-Stuttgart, Langen, Müller-München usw., na- türlich auch mit den Barsortimenten. Die Handlungen werden von den Reisenden der Grotzfirmen gern besucht und machen beträchtliche, jeweils in die Tausende gehende Abschlüsse; sie sind z. T. auch dem Börsenverein angeschlossen und ergänzen ihr Lager nach dem Börsenblatt mit Novitäten, verschmähen dabei allerdings den Kommissionsbezug. Die Bildungsbestrebungen der S. P. D. sind seit Jahren bekannt und u. a. rühmlich aner kannt vom »Kunstwart«, der das Feuilleton der sozialdemokrati schen Presse den anderen Zeitungen als vorbildlich hinstellt. Die Bücherauswahl des vom Zentral-Bildungsausschutz herausge gebenen Verzeichnisses enthält Tausende von Werken, ebenso das Jugendbücher-Verzeichnis. Die Produktion der Partei-Verlage ist bereits zu .Hunderten von Verlagswerken, auch größeren Um fangs, gediehen; ich nenne die vierbändigen Großoklav-Ausgabcn des Marx-Engelsschen Briefwechsels und Nachlasses, Lassalie- und Marx-Werke, Internationale Bibliothek (ca. 80 Bände wis senschaftlicher Werke, jeder Band im Umsang von 10—30 Bogen). Auch die Provinzhandlungen sind zum Verlag llbergegangen und haben schon beachtenswerte Werke herausgebracht, so Hamburg, Dresden, Nürnberg, Frankfurt a. M. Aus alledem ist ersichtlich, daß die Elberfeldsche Schilderung »sozialistischer Buchhandlun gen» nur die einseitige Äußerung eines unbekannten Mannes ist, der die Buchhandlungen der sozialdemokratischen Partei Deutsch lands entweder nicht kennt, oder nicht kennen will. Seine Kritik und Forderungen gelten nur den -Unabhängigen Sozialisten«, die ihre übereilt gegründeten Buchhandlungen noch nicht ge nügend entwickeln konnten und merkwürdigerweise aus sich selbst heraus noch kein Verständnis dafür empfunden haben, daß solche Zustände unhaltbar sind; es mußte ihnen erst von einem Arbeiter gesagt werden. Die Redaktion der »Soz. Gemeinde- erkenn! die Berechtigung der Kritik zwar an, lenkt aber die Aufmerksamkeit ihrer Leser sofort ab auf die Frage der Kommunalisierung der Buchhandlungen. Selbst etwas Ordentliches mit eigenen Kräften zu schaffen, das liegt ihrem Agltationsbedürfnis sehr fern. Ihne» ist der Buchhandlungsdetrieb augenblicklich nur ein unentbehr licher Notweg, damit ihre eigene Literatur an ihre Anhänger gebracht werden kann. Auch unsere S. P. D. hat Jahre gebraucht.
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