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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-04-07
- Erscheinungsdatum
- 07.04.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Redaktioneller Teil. ^r 80, 7. April 1014. derheit die noch zarten Leitungsdrähte eines jugendlichen, und zwar auch gesunden Gemüts zum Verbrennen statt zum Glühen bringen. Denn nur ein sittliches Bramarbasieren wird behaupten, daß eine reine Kindessecle gegenüber solchen Einflüssen immer und unter allen Begleitumständen immun sei; und nur wer die eigene Kindheit vergessen, wird nicht mehr wissen, daß Grotius den Terenz anders liest, als ihn die Knaben lasen. Aber der Er zieher weih auch, das; seit dem Apfel und der Schlange die Wieder- gcwöhnung jedes Mcnschcnauges an das Nackte in einem sittlichen Prozesse geschieht, der sich seine Hilfsstoffe zu einem Teile selbst wählt und findet. Wo ist hier der Punkt, an dem die Arznei zum Gift oder das Gift zur Arznei ivird? Wie sicht das Gebilde der Jngendseele aus, das dem Schutzmann, Richter oder Sachverständigen als Phantom zu dienen hat? Ist es eine Mädchen- oder eine Jüng- lingsscele, und in welchem Lebensalter hat man sie sich zu denken? Welchen Grad der Bildung, der Gesittung, des Feingefühls und des Geschmacks mutz der Erwachsene haben, welchen Geschlechts, Temperaments und Alters und etwa auch welchen Bekenntnisses mutz oder kann er sein, in dessen Gemüt das Ärgernis erregt wird, das den neuen Paragraphen in Wirksamkeit treten lätzt? Genau die gleichen Zweifelsfragen haben sich dem Ver fasser der Begründung aufgedrängt, aus der ich Ihnen die nach stehenden Zeilen wörtlich verlesen mutz: »Aach an sich gute Bücher, ja selbst solche von höchstem sittlichen oder literarischen Werte, namentlich aber Werke der medizinischen Fachliteratur, enthalte» Stelle», die für die Jugend durchaus unge eignet sind. Künstlerische Abbildungen und Nachbildungen von Werken unbestrittenen Kunstwerts können bas sittliche Wohl der Jugend gefährden. Es geht aber zu weit, die Ausstellung aller Werke in Läden und Schaufenstern zu verbieten, die ihrem Inhalte oder Gegenstände nach die Möglichkeit einer Gefährdung der Jugend offenlafsen, zumal wenn man bedenkt, das, die Kragen der Sitte und des Geschmacks streitig und die Grenze» zwischen freier literarischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Betätigung und der sittlichen Gefährdung der Jugend flüssig sind.« Und nun traut man seinen Augen nicht, wenn man 6 Zeilen darauf wörtlich weiterliest: »Kommt cs dagegen nicht ans de» sittlich gefährdenden In halt ober Gegenstand der zur Schau gestellten Schriften, bildlichen und figürlichen Darstellungen an, dessen Prüfung dem Ladeninhabcr oder sonstigen Aussteller nach der Natur der Sache tatsächlich auch nicht immer möglich sein würbe, sondern nur darauf, ob die Zurschau stellung nach ihrer äußeren Form oder nach den Umständen, unter denen sic erfolgt, Ärgernis erregt, so ergeben sich keinerlei prak tische Schwierigkeiten Das Maß von Erkenntnis, das erforderlich ist, NM zu beurteilen, ob ein Buch oder sonstiger Gegen stand in seiner äußeren Erscheinungsform geeignet ist, durch Über reizung der Phantasie die gesunde Entwicklung der Jugend zu ge fährden, wird man auch bei Berücksichtigung der großen Verschieden heit in den Anschauungen über Bildung, Geschmack und Gesittung bllligcrwcise bei jedem Gewerbetreibenden vorausschcn dürfen.« Dort die Betonung der »flüssigen Grenzen« in der Beurteilung der Dinge, die ihrem »Inhalte oder Gegen stände nach« die Jugend sittlich gefährden, hier die verlangende Voraussetzung, datz jeder Gewerbetreibende wissen müsse, wo in der »äußeren Erscheinungsform« jene Grenze liege. Man braucht nur zu fragen, wie sich denn bet einer »künstlerischen Abbildung«, auf die die Begründung an dieser Stelle im nega tiven und positiven Sinne ausdrücklich exemplifiziert, der »In halt« und »Gegenstand« von der »äußeren Erscheinungsform« unterscheide, um die mit so kluger Feder geschriebene Begründung wegen dieser ihrer Aufgabe fast zu bemitleiden. Wird der Z 43a in der borgeschlagenen Fassung Gesetz, so werden die schönen Worte von der »sittlichen Gefährdung der Jugend« dem Buchhandel bald wie ein Schreckrus in die Ohren tönen. Denn die freundlichen Pfänder, die der Verfasser der Begründung an den »guten und soliden Buchhandel« in Worten nicht zurückhaltender Anerkennung ansteilt, können dem bestbe- lcumnndeten Buchhändler kein ausreichender Schutz sein gegen Irrtum und Verständnislosigkeit, Willkür und Schikane, die auf dem Boden dieses Gesetzes wuchern werden. Ungeschickte Seelen samariter, Puritaner, ehrliche oder lüsterne Zeloten, über ängstliche Väter und Mütter, die von der Abhärtung nichts, von 502 der Verweichlichung alles halten, persönliche Neider, gehässige Gegner in Konfession und Politik werden unter dem Schutz des 8 43a auch für den guten und soliden Buchhandel eine Plage werden, wie sie kein anderer Beruf kennt, und die eine besondere Verschärfung noch durch die Bestimmung erfährt, daß die Verletzungen des K 43a grundsätzlich mit Haftstrafe zu sühnen sind, die nur in besonders leichten Fällen in eine Geld strafe verwandelt werden darf. Wäre die Novelle schon Gesetz gewesen, als man den Don Quijote-Zug gegen die bekannten Reproduktionen der Photo graphischen Gesellschaft unternahm, der Trost, daß es noch Richter inSachsen gibt, hätte auch in solchem Falle selbst dann wenig verfangen, wenn man annähme, daß auch die Indizien unserer Novelle auf jene Postkarten nach rechtem Recht nicht anwendbar wären. Denn bis zum Reichsgericht führt der Jnstanzenzug dieser Novelle nicht, und der Weg zu den Oberlandesgerichten wäre für die Beklagten um so banger und ungewisser, als durch sie eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung unverbürgt bleibt. Ein Rechtsstaat darf nicht einen einzelnen Stand einer Nechtsunsicherhcit aussetzen, wie es hier geschehen soll. Selbst dann nicht, wenn er damit ein sicheres Instrument gewönne, die sittliche Erstarkung seiner Heranwachsenden Jugend zu verbürgen. Aber ist durch die Novelle ein solcher Erfolg irgendwie zu er hoffen? Vielleicht wird sie dazu beitragen, den literarischen und bildlichen Schmutz ein wenig mehr als heute dem jungen Auge fernzuhalten. Aber man unterschätze auch nicht, was dafür ver loren gehen kann, wenn aus Sorge vor den llnberechenbarkeiten des zu erwartenden Ärgernisses die Auslagen ästhetisch veröden und wenn aus ihnen auch diejenige gute Kunst schwindet, die das jugendliche Auge den Anblick des unbekleideten Menschen ohne Erhitzung seiner Sinne ertragen lehrt. Mehr als alles dies aber umfängt den, der die Jugend und die Kunst lieb hat und der weiß, wie sehr beide aufeinander angewiesen sind, die Sorge, daß eine seelenlose polizeiliche Für sorge, wenn sie erst das Instrument des 8 43a in der Hand hat, nach anderen gesetzlichen Ruten verlangen und mit Cupido auch Eros vertreiben wird. Wie kauft man Bücher? Ein Glosse von Otto R i e b i ck c - Berlin-Wilmersdorf. In der Tagesprcssc treten periodisch Artikel auf, die, ohne jede Fachkcnntnis und mit geringem Wissen von der Materie, die Interessen des Buchhandels schädigen. Es sei deshalb ausnahmsweise erlaubt, einen derartigen Artikel an dieser Stelle zu glossieren. Dieses Jahr ist humoristisch. Erst die Sache mit dem Bar- sortimcntskatalog: Irgendwer ersteht ihn alt und abgeschunden für 3 -kt beim Bouquinisten und macht der lauschenden Mitwelt in einem Zeitungsartikel Mitteilung von dem ungeheuer dicken Buche, das ihm der Zufall in die Hände spielte lind einen Einblick in eine ungeahnte Bücherproduktion gibt (und was die alle für neckische Telegrammnamen haben!). Köstlich! Und nun dieser Artikel in der 74. Unterhaltungsbeilage der Deutschen Tageszei tung. Herr vr. 5peinrich Pudor schrieb ihn. Herr vr. Pu- dor hat auch mal Bücher geschrieben. Heimbaukunst und so. Zu dem gibt er eine Monatsschrift heraus, »Kultur und Familie«. »Wie kauft man Bücher?« Wenn der Buchhandel ein Preis ausschreiben mit dieser Frage erließe, — ich glaube, kein Mensch würde auf die Lösung kommen, die Herr vr. Pudor in tztzb Zei len nach dem Titel gibt. Da steht (und sonst kommt keine Ant wort in dem Artikel vor): »Die erste Frage, die der Käufer an ein Buch zu richten hat, ist die: Macht es dich besser? Belehrt cs dich? Zieht es dich hinauf oder hinab? Erhöht es dich oder erniedrigt es dich? Packt es dich in deinen Schwächen oder Stärken?« Die erste Frage. Die zweite Frage fehlt, die dritte auch . . . nun, Herr vr. Pudor mag vielleicht angenommen haben, daß diese Antwort die Quintessenz des Abführmittels enthält und kein Konfirmandenmädchen tiefer in diese Theorie cindringen möchte. Ich Hab' cs versucht, ich habe es getan, ich habe mich durchgerungen — und nun, Herr Doktor, »wie kauft man Bücher?«
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