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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.11.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-11-21
- Erscheinungsdatum
- 21.11.1907
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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271, 21. November 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchbandel. 12501 dichtbesetzten Cafes der großen Boulevards anpreist mit einer Stimme, die selbst den Straßenlärm übertönt und meist mit dem verlockenden Angebot von 90 Prozent Rabatt: rvsnx 80N8 S.N lisn ä'na kraue«! Es ist merkwürdig, was durch diese Camelots alles abgesetzt werden kann. Gewöhnlich ist es ja direkt schlechte oder Hintertreppen-Literatur, die oft geradezu !ür diesen Vertrieb hergestellt wird, häufig sind es auch einzelne Nummern von illustrierten Zeitschriften oder Witzblättern, denen keine lange Lebensdauer beschicken war und von denen dann immer mehrere Nummern zusammen für 10 Cts. angeboten werden; aber nicht selten nehmen auch kleinere Verleger, die sich in der Kalkulation geirrt haben, ihre Zuflucht zu den Camelots, damit von dem sonst un verkäuflichen Werk noch gerettet wird, was gerettet werden kann; denn der Camelot steht im Ruf, so ziemlich alles absetzen zu können, es mag sein, was es will. — Dann kommen die Bouquinisten, diese sonderbare Spezies von Buch händlern, wie sie wohl nur noch in Paris vorkommt. Ob gleich die Bouquinisten heute einem wirklichen Bedürfnis längst nicht mehr entsprechen, hat das Gewerbe doch eine durch Jahrhunderte hindurch erworbene Art von Existenzberech tigung. Dieses harmlose Trödlervolk hat alle Schicksale, die die Stadt Paris seit Erfindung der Buchdruckerkunst durch gemacht hat, miterlebt und miterlitten und darf Anspruch auf einen Platz in der Geschichte von Paris erheben. Heute find die Bouquinisten so sehr als Kuriosum mit dem Stadtbild von Paris verwachsen, daß man sie vermissen würde, wenn sie eines Tages verschwinden sollten; Paris ohne die Bouquinisten, das wäre fast so wie Paris ohne den Eiffelturm. In frühern Jahrhunderten, besonders zur Zeit der Religionskriege, hatten sie viel unter der Zensur und unter Haussuchungen nach ketzerischen Büchern zu leiden, und ihr Beruf war damals mit mehr Gefahren verknüpft als heute. Auch fuhr von Zeit zu Zeit eine königliche oder ministerielle Verordnung unter die Bouquinisten, die sie von ihren bisherigen Plätzen verscheuchte, bis dann nach angst vollen Tagen und Wochen sich ein anderes Stadtviertel fand, in dem sie sich niederlassen dursten und wo der Bücherstaub sich von neuem ansetzte. Heute haben sie ihren Stand schon lange auf den Quaimauern an der Seine, und es ist jedem Besucher von Paris zu empfehlen, sich diesen eigenartigen Büchermarkt einmal anzusehen. Irgendwelche Fachkenntnisse haben die Bouquinisten nur in den seltensten Fällen; denn manchmal findet man in dem wertlosen Trödel kram doch gelegentlich ein Werk, von dessen Seltenheit und Wert sein augenblicklicher Besitzer keine Ahnung hat. Es wäre ganz falsch, anzunehmen, der Bouquinist sei der Buchhändler der ärmeren Volksklassen; im Gegenteil, er zählt Gelehrte von Ruf, Bücherfreunde und -Kenner, wohl auch Antiquariatsbuchhändler zu seinen Kunden, die hier und da einmal vorsprechen und den Inhalt der Kisten nach etwa vorhandenen seltenen Werken durchstöbern. Der wirkliche Sortimentsbuchhändler hat die Konkurrenz seines sonderbaren »Kollegen« nicht zu fürchten und legt ihm infolgedessen auch keine Schwierigkeiten in den Weg; denn mancher arme Schlucker kann sich da ohne Fachkenntnisse und ohne viel Betriebskapital seinen Lebensunterhalt verdienen, ohne irgend jemand zu schaden. Und dieser Verdienst muß recht sauer und recht bescheiden sein; denn außer den eben erwähnten Ausnahmekunden kommen als Käufer nur noch Passanten in Betracht, denen im Vorübergehen das eine oder andre Buch auffällt, in dem sie dann ohne jeg lichen Kaufzwang blättern können, aber selten genug etwas kaufen. Geordnet find diese einzigartigen Bücherlager nur nach dem Preis, und der Preis wiederum wird bestimmt durch den Umfang des betreffenden Werkes, so daß hier wirklich Bücher nach Gewicht zu haben sind. Nicht jedes Buch wird mit Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. * einem Preise versehen, sondern nur jeder Kasten, in dem immer gleich teure oder gleich billige Bücher beisammenliegen, von etwa 20 Cts. an bis hinauf zu 2 und 3 Frcs. Sein Geschäfts lokal hat der Bouquinist unter freiem Himmel und steht nun bei allem Wind und Wetter, bei Schnee und Regen draußen. Natürlich bleiben diese Bücherkisten auch über Nacht im Freien, durch einen mit Blech beschlagenen Deckel und ein Vorhängeschloß ziemlich notdürftig gegen die Ein flüsse der Witterung und etwaige Berufseinbrecher geschützt; doch nehmen sich die letzteren fast nie die Mühe, diese Kisten mit dem gelehrten, für sie wertlosen Inhalt in den Bereich ihrer Tätigkeit zu ziehen. Die wirklichen großen Sortimentsgeschäfte, namentlich solche in eleganten Stadtteilen oder an verkehrsreichen Straßen, machen denn auch einen ganz andern, den Ansprüchen der Weltstadt entsprechenden Eindruck; dennoch wird der deutsche Buchhändler manche Einrichtung bemerken, die ihm nicht gefallen und die er als nicht zunftgemäß ver urteilen wird. Dies gilt besonders von der merkwürdigen Gewohnheit der französischen Sortimente, einen Teil ihrer Geschäfte auf der Straße zu machen, d. h. es werden am Morgen Tische vor das Geschäftslokal auf das Trottoir ge stellt, auf denen die Neuigkeiten der Woche und des Tages ausliegen. In Deutschland wäre dieses System allerdings unmöglich und nicht zunftgemäß; in Paris ist diese Einrichtung aber etwas so Allgemeines, etwas so Selbst verständliches, daß nicht nur die Buchhandlungen — diese noch am wenigsten —, sondern überhaupt alle Berufsarten sie ziemlich ausnahmslos adoptiert haben. Um diese Einrichtung und ihre große Bedeutung für den Handel voll zu verstehen, muß man mit dem Leben in Paris einigermaßen vertrant sein. Paris ist die Stadt mit der relativ dichtesten Bevölkerung, und infolgedessen ist hier auch der Straßenverkehr viel stärker, viel intensiver als in andern Großstädten mit gleicher oder annähernder Ein wohnerzahl. Ein guter Teil des Lebens und der Geschichte von Paris spielt sich auf der Straße ab, und überhaupt leben die Menschen hier viel mehr im Freien als bei uns. Dieses Ausstellen von allen möglichen Gegenständen auf offener Straße, seien es nun Kleidungsstücke, Möbel, Bücher, Parfümeriewaren oder Lebensmittel, ist etwas so Alltägliches, daß es niemandem auffällt und niemand sich daran stößt; es würde aber allen auffallen, wenn diese Einrichtung plötzlich verschwinden sollte, und vor allem würde das Straßenbild von Paris dadurch ein ganz andres Aussehen bekommen. Täglich gehen Hunderttausende von Menschen aller Nationen und aller Stände über die großen Boulevards, und warum soll sich der Kaufmann diese riesige Reklame, die ihm nicht nur nichts kostet, sondern ihm auch sehr viel einbringt, entgehen lassen? Wenn die großen Warenhäuser mit einem Artikel räumen wollen, so kommt er auf die Straße, und in wenigen Tagen ist auch der größte Posten abgesetzt. — Was nun den fran zösischen Sortimenter speziell betrifft, so ist er in erster Linie Kaufmann und dann erst Buchhändler; zuerst kommt bei ihm die praktische Seite seines Berufs und dann erst die ideale. Mit Ansichtsversenden befaßt er sich nur wenig, fast nie; dafür sind die Entfernungen in Paris zu groß; die Zeit, die der Bote mit dem Austragen und Wieder abholen der Pakete verbrauchen würde, alle Buchungen, das dazu erforderliche größere Personal u. a. würden das An sichtsversenden zu sehr verteuern, um noch einen Nutzen übrig zu lassen, und eine Arbeit, an der er nichts verdient, tut der französische Sortimenter nicht gern. Außerdem erhält er vom Verleger nur selten eine genügende Anzahl von Werken in Kommission, um eine systematische und dauernde Ansichts versendung vornehmen zu können. Natürlich gibt es ja 1626
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